Klischees an frischer Luft

Die Dokumentation „Land zwischen den Strömen – Von der Elbe bis zur Ems“ ist Balsam für die Zeit im Lockdown

Segeln ohne Segel ist besser als gar kein Segeln Foto: NDR/MANFRED SCHULZ TV & FilmProduktion

Von Wilfried Hippen

Der Osterurlaub ist abgesagt, und so können wir zurzeit unser Fernweh nur als Voyeure mildern. Deshalb sind Filme über das Reisen gerade sehr beliebt, und besser hätte die Programmierung der NDR-Produktion „Land zwischen den Strömen – Von der Elbe bis zur Ems“ am Ostermontag darum kaum passen können.

Hier wird uns Norddeutschen gezeigt, wie schön unsere Heimat doch sein kann, und im Gegensatz zu den vor einigen Jahren so erfolgreichen „Von oben“-Filmen“, die nur aus Luftaufnahmen bestanden, wird hier schön altmodisch und bodenständig auf einem Segelboot durch Niedersachsen geschippert. Dass dabei meist auf Flüssen und Kanälen gefahren, also kaum gesegelt wird, ist dabei zweitrangig. Wichtiger ist, dass sich mit Willem und Gerrit ­Ruempler ein Vater und ein Sohn für drei Wochen auf einen Törn machen, und dabei bei schönstem Sonnenwetter mit uns zusammen ihre Heimat kennenlernen.

Gedreht wurde im Sommer 2020, und der Regisseur Manfred Schulz hat spätestens beim Schnitt peinlichst genau darauf geachtet, dass keine Gesichtsmaske an die realen Verhältnisse in diesen Wochen erinnert. Statt dessen ist der 90 Minuten lange Film prall gefüllt mit Postkartenansichten – nicht nur vom Boot aus, sondern auch die Drohne kommt hier oft zum Einsatz. Was vor einigen Jahren „von oben“ noch spektakulär war, ist jetzt der Standard im Dokumentarfilm.

Die beiden Schipper sorgen für maritime Romantik. Aber auch wenn die Kamera ihnen in der Kombüse mal in die Pötte schaut, werden sie als Protagonisten eher stiefmütterlich behandelt, sodass man kaum warm mit ihnen wird. Denn Manfred Schulz verlässt das Bötchen so oft er nur kann, um in den besuchten Landschaften und Städten zugleich typische und originelle Be­woh­ne­r*in­nen und ihre Tätigkeiten vorzustellen.

So wird in Leer natürlich Tee verkostet, in Bremen Kaffee geröstet und in der Lüneburger Heide die Heidschnucke gehütet. In Oldenburg kommt es gleich doppelt: zuerst mit einem Grünkohlforscher und dann mit einem Konditor, der eine Grünkohlpraline kreiert hat. Ein guter Reiseleiter muss sowohl informativ wie auch amüsant sein, und Manfred Schulz gibt sich große Mühe dabei, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Seine Texte sind voller Geschichte und Geschichten. Nur sind seine Sprüche meist eher albern als komisch („Ostfriesland ohne Tee ist wie Ebbe ohne Flut“).

Aber sie werden von Volker Lechtenbrink, also einer der bekanntesten Stimmen der Region, in seinem sonoren Plauderton vorgelesen, und da verzeiht man vieles. Wie das Wasser in den Flüssen und Kanälen fließt der Film so dahin und abgesehen von der manchmal etwas penetranten Synthesizer-Musik von Toivo Persson stört nichts die sommerliche Idylle. Selten war Eskapismus so nötig wie jetzt, und „Land zwischen den Strömen – Von der Elbe bis zur Ems“ bietet über Ostern eine extra große Portion davon.

Dies ist der erste Teil einer Trilogie. Die Dreharbeiten für die beiden folgenden über die Wasserstraßen von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollen bis zum Herbst beendet sein. Hoffentlich müssen sie dann nicht mehr so viel Trost bieten wie heute.

„Land zwischen den Strömen – Von der Elbe bis zur Ems“ wird Ostermontag im NDR gesendet und ist vom 2. 4. an in der ARD-Mediathek zu sehen