die woche in berlin
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Ein neues Bündnis soll für mehr Räume für Berliner Kreative sorgen, auch über coronapandemische Zeiten hinaus, während es mit der freien Wahl des Impfstoffs ein Ende hat, einerseits, und andererseits die Möglichkeit des U-Bahn-Ausbaus durchaus zur Wahl steht

Ein ImmoScout für die Kulturszene

Neues Bündnis will Machern von Kultur Räume sichern

Wären es normale Zeiten für die Kunst und Kultur in Berlin, so wäre diese Nachricht wohl etwas enthusiastischer aufgenommen worden: Die neu geschaffene Kooperative „Kultur Räume Berlin“ will dafür sorgen, dass KünstlerInnen über den Senat an kostengünstige Ate­liers, Proberäume, Produktionsorte kommen. Anfang der Woche hat Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) das Konzept vorgestellt, schon im Laufe dieses Jahres will das Bündnis 2.000 Räume zur Verfügung stellen. Die Devise: Immobilien langfristig für Kultur sichern, sie dem Markt entziehen, Verdrängungsprozesse verhindern.

Diese Strategie, die in dem Zusammenschluss von Playern aus Politik, Kultur, Immobilienmanagement und Stadtentwicklung realisiert werden soll, ist natürlich richtig und gut – wenn sie auch sehr spät kommt. Wie viel Rettungsmanöver für Kulturräume hätte man vermeiden, wie viel Steuergeld sparen können, hätte man diesen Weg schon früher eingeschlagen!

Für die AdressatInnen scheint „Kultur Räume Berlin“ bedienerfreundlich zu sein: Auf einer Website können sich KünstlerInnen um die Räume bewerben, die Annoncen muten an wie ein Immoscout für die Kulturszene. Die Preise sollen sich dauerhaft bei 4 bis 5 Euro pro Quadratmeter einpendeln. Ganz so paradiesisch, wie das klingt, wird es aber nicht sein, denn der Bedarf ist auch groß: 8.000 bis 10.000 bildende KünstlerInnen leben in Berlin, knapp 10.000 MusikerInnen waren 2019 bei der Künstlersozialkasse in Berlin und Brandenburg gemeldet, dazu kommen die anderen Sparten. Viele von ihnen konnten sich die Übungsraummieten zuletzt nicht mehr leisten.

Und: Es sind eben keine normalen Zeiten. Die Kulturschaffenden sind derzeit mit Überleben beschäftigt. Sie haben genug damit zu tun, sich Jobs zu beschaffen, Formulare für Überbrückungshilfen auszufüllen, irgendwie Perspektiven zu entwickeln in dieser Zeit, in der sich viele von ihnen so fühlen, als seien ihre Berufe und Berufungen irgendwie egal, redundant und verzichtbar.

Langfristig ist „Kultur Räume Berlin“ sicher eine gute Sache – doch ungewollt und nebenbei zeigt der Launch der Initiative eben auch auf, dass es ein „langfristig“ derzeit für Künst­le­r*in­nen nicht gibt. Aktuell fragen sie sich: Wie überstehe ich die nächsten Monate? Wie sieht die Kulturszene nach der Pandemie aus? Wer ist dann noch da, was ist dann noch da? Wie viel Geld bleibt für die Kultur in Berlin? Halte ich durch?

Zumindest in Sachen Kulturraumpolitik scheint das Land Berlin für eine Zeit nach Corona besser aufgestellt als bislang. Das ist immerhin etwas.

Jens Uthoff

Keinen Bock auf vermeintlich schlechten Stoff

Das Ende der freien Impfstoffwahl in Berlin

Es ist schon merkwürdig: Noch im Herbst, als die zweite Welle anrollte, war gar nicht klar, ob es auch nur einen einzigen Impfstoff für die Bevölkerung geben würde. Erst im Dezember wurde mit dem Impfstoff von Biontech der erste für die EU zugelassen, Anfang Januar folgte das Moderna-Vakzin, noch ein paar Wochen später bekam der Stoff von Astrazeneca die Freigabe. Drei Impfstoffe stehen also jetzt bei der Coronapandemie zur Verfügung. Knapp 220.000 Menschen, die über 80-Jährigen und Klinik- und Pflegepersonal, wurden bisher in Berlin geimpft. Es könnte düsterer aussehen, im fortgesetzten Lockdown. Und trotzdem wird erstaunlich viel gemeckert.

Über den Impfstoff von Astrazeneca vor allem, der inzwischen nur noch als B-Ware wahrgenommen wird. Die Nachfrage im Impfzentrum Tegel laufe langsamer an als erhofft, sagte ein Sprecher von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Mittwoch. Dabei ist der Stoff kaum weniger wirksam – die Studienlage bei Menschen über 65 Jahren ist nur einfach (noch) nicht belastbar. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt hängen: Wenn man sich’s aussuchen kann, lässt man sich das gute Zeug von Biontech spritzen.

Und Gesundheitssenatorin Kalayci hat ihren Anteil daran, dass keiner mehr Bock hat auf den vermeintlich schlechteren Stoff. Kalayci hatte es den BerlinerInnen mit Impftermin bisher freigestellt, wo sie sich den Stich setzen lassen wollen. Und weil in jedem Impfzentrum ein bestimmtes Präparat verimpft wird, bestand in Berlin de facto ein Recht auf freie Stoffwahl. Mit dem Ergebnis, dass man in Tegel auf der Ware sitzenblieb.

Am Mittwoch ruderte Kalayci dann zurück: „Bei Astrazeneca gibt es keine Wahlfreiheit“, sagte sie am Rande der Eröffnung des fünften Impfzentrums in Berlin – sechs sind geplant – im Pankower Velodrom. Will heißen: Menschen unter 65 müssen ihren Oberarm für Astra­zeneca frei machen, Älteren wird der Stoff ohnehin nicht geimpft.

Die Zwangsbeglückung tut vermutlich Not – immerhin wäre es absurd, den wertvollen Stoff nicht zu verimpfen. Aber der Akzeptanz dürfte es eher noch abträglich sein. Was sich hoffentlich nicht auf die Impfbereitschaft durchschlagen wird. Das wäre dann wirklich ein Desaster: Wenn viele ihren Oberarm am Ende lieber gar nicht mehr frei machten als für einen vermeintlich schlechten Impfstoff. Anna Klöpper

Die Partner bei möglicher Verkehrswende

Auch Ausbau der U-Bahn kann wahlentscheidend sein

Wenn die Verkehrspolitik, wie so oft behauptet, die entscheidende Zukunftsfrage für Berlin ist, so müsste die nächste Koalition bereits klar sein, schon vor dem nun anlaufenden Wahlkampf und damit eben lang vor der Abgeordnetenhauswahl am 26. September (die mit den anderen Wahlen ja auch schwerpunktmäßig Thema in dieser Ausgabe ist). Dieses Bündnis wäre nicht länger Rot-Rot-Grün, sondern Schwarz-Rot-Gelb. Deutschlandkoalition heißt so eine in den 1950er Jahren in Bremen und im Saarland mal gehabte Konstellation, bei der man sich das FDP-Gelb eben etwas goldiger malen muss.

Warum so eine Koalition? Weil in der Verkehrspolitik SPD einerseits und Grüne und Linkspartei andererseits teils weit auseinanderliegen und die Kluft hier viel größer ist als der Abstand der Sozialdemokraten zur CDU. Das hat sich in dieser Woche beim umstrittenen Thema U-Bahn-Verlängerung wieder gezeigt.

Denn für Verkehrswende und Klimaschutz generell, wenn auch in unterschiedlicher konkreter Ausprägung, machen sich inzwischen von den Liberalen bis zu den Linken alle Parteien stark. Auch die CDU ist längst nicht mehr die Autofahrerpartei schlechthin – oder will zumindest nicht länger so erscheinen. Ob er damit nicht an der eigenen autofahrenden Wähler- und Mitgliedschaft vorbeigehe, wurde ihr Landeschef und nunmehriger Spitzenkandidat Kai Wegner schon gefragt, als sich die Christdemokraten vergangenes Jahr in einer hippen Kampagne schier als Radlerpartei gaben.

Und damit passt sie genau zu einer SPD, die zwar mit Grünen und Linkspartei ein bislang bundesweit einmaliges Mobilitätsgesetz beschlossen hat, der die grüne Forderung nach einer ganz schnell ganz autofreien Stadt jedoch viel zu weit geht. Ein Klimaschutzpaket stoppte sie im Herbst wegen darin vorgesehener City-Maut und höherer Parkgebühren. Und viel mehr als ihre Koalitionspartner ruft die SPD nach einem U-Bahn-Ausbau.

Nach der Senatssitzung am Dienstag wurden zudem die Differenzen nochmal klarer. Die Grünen, die sich lange darauf beriefen, dass von einem solchen Ausbau nichts im Koalitionsvertrag steht, zeigten sich zwar zuletzt offener für das Thema. Doch während ihre Verkehrssenatorin sich nun für einen eher kurzen Lückenschluss der U3 regelrecht begeistern konnte – „ich halte das für eine sehr vielversprechende Linie“ –, köchelten andere grüne Stimmen einen aufwendigeren U-Bahn-Ausbau eher klein. Während SPDler quasi schon den Spaten in der Hand halten, verwiesen sie darauf, dass nun erst mal zwei bis zweieinhalb Jahre lang eine Kosten-Nutzen-Untersuchung anstehe. Echte Begeisterung für ein Thema sieht anders aus.

Es ist ja durchaus ehrenhaft, wenn eine Partei – hier die Grünen – nicht allein aus taktischen Gründen im Wahlkampf auf ein populäres Thema aufspringt. Aber die Kluft beim U-Bahn-Ausbau und beim Mega­thema Verkehr generell zeigt, dass eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koa­li­tion eben noch nicht in Stein gemeißelt ist. Stefan Alberti

Eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition ist eben noch nicht in Stein gemeißelt

Stefan Alberti über mögliche U-Bahn-Verlängerungen und Koalitionsfragen