TataSteel-Fabrik in Ijmuiden: Sammelklage der Anwohner
Überschreitung von Umweltauflagen, Grafitregen, Häufung von Lungenkrebs. Gegen eine niederländische Stahlfabrik wird jetzt geklagt.
Amsterdam taz | Hunderte Anwohner*innen wollen den Stahlfabrikanten TataSteel verklagen. Grund ist die Luftverschmutzung, die dessen Fabrik in der niederländischen Hafenstadt Ijmuiden verursacht. In der angrenzenden Kommune Beverwijk ist die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken, laut dem regionalen Gesundheitsdienst um 25 Prozent erhöht. Das TV-Programm „Èen Vandaag“ und das Noordhollands Dagblad hatten im Herbst berichtet, dass das Risiko in Ijmuiden selbst sogar um 51 Prozent höher liege.
Die Anwältin Bénédicte Ficq wird die Klage im Namen von rund 350 Personen einreichen. Sie ist in den Niederlanden damit bekannt geworden, dass sie versucht hatte, die Tabakindustrie strafrechtlich verfolgen zu lassen. Die Klage wurde 2018 abgewiesen – „Menschen stecken sich Zigaretten selbst in den Mund“, sagt Ficq in einem Videokommentar. Bei einem Stahlkonzern sei die Sachlage „einfacher“. Tata müsse wegen „absichtlicher Gesundheitsschädigung“ verfolgt werden, „weil sie wissen, dass ihre Emissionen viel Elend verursachen“. Zudem überschreite der Konzern regelmäßig Umweltauflagen.
Die Anklage, die auch von der Dünenschutz-Stiftung Duinbehoud unterstützt wird, basiert auf Artikel 173 des niederländischen Gesetzbuchs. Strafbar macht sich, „wer vorsätzlich und widerrechtlich eine Substanz auf oder in den Boden, die Luft oder ins Oberflächengewässer bringt, wenn damit Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder Lebensgefahr für andere zu befürchten ist“.
Betroffen von der Klage ist auch der auf dem Gelände ansässige Abfallverarbeiter Harsco. Dieser war in den letzten Jahren für sogenannte Grafitregen verantwortlich, bei denen PAK und Schwermetalle freigesetzt wurden. Das nahegelegene Küstendorf Wijk aan Zee wurde dadurch landesweit bekannt.
Nicht die einzigen Kläger
TataSteel erklärte, von der geplanten Anzeige zu wissen und die Sorgen der Nachbar*innen „sehr ernst“ zu nehmen. Man investiere hunderte Millionen Euro, um die Auswirkungen auf die Umgebung zu minimieren. „Wir handeln nach Ehre und Gewissen.“
Auch die niederländische Staatsanwaltschaft hat eine Klage gegen TataSteel wegen Überschreitung der Umweltauflagen angekündigt. Ende Januar gab der schwedische Stahlproduzent SSAB an, von der geplanten Übernahme des Tata-Werks in Ijmuiden abzusehen, weil diese unvereinbar mit den eigenen Nachhaltigkeitsambitionen sei.
Leser*innenkommentare
Ulrich Haussmann
Was ist aus den Niederlanden nur geworden. Grauenvoll. Das sind klare Menschenrechtsverletzungen.