: Zum Teilen verdammt
Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften bekommen weniger Geld, weil sie laut Bundesgesetz als gemeinsamer Haushalt gelten. Bremen weiß nicht, wie es das lösen soll
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VonLotta Drügemöller
Im Bundesrat hat sich Bremen am Donnerstag für Asylbewerber eingesetzt: Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) hat dort für die Anhebung der Regelsätze um 45 Euro für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften plädiert – wenigstens während der Pandemie. In Bremen selbst tut die Landesregierung nicht alles, um das Geld den Betroffenen jetzt schon auszuzahlen. Das bemängelt der Flüchtlingsrat Bremen.
Die 45 Euro sind nicht einfach ein netter Bonus; es handelt sich um einen Betrag, der allen anderen alleinstehenden Sozialhilfeempfänger*innen zusteht und nur den Menschen in Gemeinschaftsunterkünften verwehrt wird. Bei der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes 2019 verfiel der Gesetzgeber auf die Idee, dass die Bewohner*innen dort gemeinsam wirtschaften könnten und deshalb einen geringeren Bedarf hätten – ähnlich wie Ehepaare. Seitdem wird ihnen pauschal zehn Prozent vom Existenzminimum abgezogen. „Zwei Menschen, die sich nicht kennen, sollen also gemeinsam wirtschaften und durch gemeinsam gekauftes Shampoo und ähnliches zehn Prozent sparen“, sagt Holger Dieckmann vom Flüchtlingsrat. „Das ist doch realitätsfern und entwürdigend.“
Auch die Landesregierung lehnt das Gesetz ab. „Wir haben Bauchschmerzen damit“, so Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. Aber: „Wir sind eine Behörde, und als solche müssen wir uns an geltendes Recht halten. Das können wir nicht beliebig umgehen.“
Dieckmann glaubt, dass das Sozialressort es sich zu einfach macht. Gerade in der Pandemie gebe es gute zusätzliche Gründe, gemeinsames Wirtschaften mit Fremden zu unterlassen. Das sieht selbst die Bundesregierung so: Bereits im Juli hatte sie in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünenfraktion im Bundestag geantwortet, dass in der Pandemie übergangsweise Ausnahmen möglich seien.
Einzelne Bundesländer haben darauf schon reagiert; im Januar hat nun auch Niedersachsen eine entsprechende Weisung an seine Kommunen herausgegeben: Wo das gemeinsame Wirtschaften wegen Kontaktbeschränkungen nicht möglich sei, sollten Betroffene aus der Regelbedarfsstufe 2 (401 Euro) in die Stufe 1 (446 Euro) verschoben werden.
Die niedersächsische Auslegung bleibt eng und restriktiv: In jedem Fall müsse es eine Einzelfallprüfung geben, inwiefern das gemeinsame Wirtschaften tatsächlich nicht nötig ist. Und als Beispiel wird auf Quarantänefälle verwiesen.
Holger Dieckmann, Flüchtlingsrat Bremen
Dieckmann glaubt, dass man in Bremen durchaus einen Schritt weiter gehen könnte, indem etwa Gemeinschaftsunterkünfte als Orte definiert werden, in denen das gemeinsame Wirtschaften in der Pandemie bei Aufrechterhaltung des Abstandsgebots nicht möglich ist. Immerhin hatte das Gesundheitsressort unter Claudia Bernhard (Linke) im Mai 2020 eine Höchstbelegung und ein Abstandsgebot für Gemeinschaftsunterkünfte festgelegt.
In Bremen gibt es bisher aber nicht einmal die minimalistische niedersächsische Regelung – und das, obwohl schon bei einer Deputationssitzung im November versprochen worden war, eine Weisung zu erstellen. Schon seit einiger Zeit, heißt es aus dem Sozialressort, läge allerdings ein Arbeitspapier dazu vor. Es könne sich nur noch um Tage handeln, bis das dann auch formal erlassen werde. Warum es bis dahin so lange gedauert hat, will man in der Behörde nicht erklären.
Selbstverständlich könnten aber auch heute schon Betroffene individuell ihren Mehrbedarf erklären, sagt Schneider. Eine Besserstellung in Regelstufe 1 gäbe es dadurch aber nicht: Rechenschaft ablegen müssen die Betroffenen bisher stattdessen über jeden Kostenpunkt.
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