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Drei Monate Ruhe für Obdachlose

Hannover hat auf Kritik reagiert und ein neues Sozialprojekt für Menschen ohne Unterkunft eröffnet

Als das Projekt im Naturfreundehaus endete, war das Kopfschütteln in der Stadtgesellschaft groß

Von Michael Trammer

Es ist ein Vorzeigeprojekt: Das „Plan B-OK“, ein am Mittwoch eingeweihtes Haus für wohnungs- und obdachlose Menschen im hannoverschen Stadtteil Döhren. „OK“ steht für Orientierung und Klärung. Bedürftige sollen hier für bis zu drei Monate untergebracht und unterstützt werden. Trägerin des Projekts ist das Deutsche Rote Kreuz. Vorerst gibt es nur 21 Plätze, später sollen mehr folgen, bis zu 70 Menschen soll gleichzeitig geholfen werden. Mehr als zwei Millionen Euro kostet „Plan B-OK“ jährlich, einen Teil trägt die Region. Auch eine private Stiftung unterstützt das neue Projekt finanziell. Die Laufzeit soll mindestens drei Jahre betragen.

Das Sozialprojekt ist auch als Reaktion der Stadt auf die Kritik zu verstehen, die aufkam, als im Oktober die Unterbringung von obdachlosen Menschen im Naturfreundehaus beendet wurde. Dort konnten Obdachlose – unabhängig von ihrem Anrecht auf staatliche Unterstützung – seit Beginn der Pandemie in einem von der Stadt gemieteten Jugendgästehaus mehr als nur einen Schlafplatz finden. Erfolgsgeschichten zeichneten das Notangebot aus – zahlreiche Menschen konnten in stabile Wohnverhältnisse vermittelt werden. Als mit Einbruch des Winters und Beginn der zweiten Pandemiewelle das Projekt endete, war das Kopfschütteln in der Stadtgesellschaft groß.

Einiges hat sich seither getan: Zwei Stiftungen mieten von Spendengeldern Hotels, Ak­ti­vis­t*in­nen besetzten öffentlichkeitswirksam städtischen Leerstand, Betroffene nahmen sich kurzerhand Wohnraum. Mit „Plan B-OK“ hat die Stadt nun darauf reagiert.

Die Kriterien, wer einziehen dürfe, stünden noch nicht fest, sagt die Sozialdezernentin Sylvia Bruns (FDP) bei der Eröffnung. Schnell soll es dennoch gehen. Die Situation obdachloser Frauen* solle besonders bedacht werden, für sie sei ein Extrabereich vorgesehen. Über Tagestreffs und andere Hilfsangebote will die Stadt die Betroffenen erreichen.

Für Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) ist ein zentraler Aspekt von „Plan B-OK“, dass individuell mit Betroffenen gearbeitet werde. Im vergangenen Jahr habe man mit ähnlichen Projekten sehr gute Erfahrungen gesammelt. So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen schätzen, dass nach wie vor mehrere tausend Menschen ohne Wohnung und hunderte ohne Obdach in Hannover auf der Straße leben. Ob das neue Projekt mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist, wird sich zeigen.

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