heute in hamburg: „Es braucht die Stadtbahn“
Manfred Braasch56, ist Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in Hamburg.
Interview Finn Starken
taz: Herr Braasch, wie klimafreundlich ist Hamburg?
Manfred Braasch: Hamburg spart zu wenig CO2 ein, um seine Klimaziele erreichen zu können. Die Statistiken zeigen: Im Verkehr sind die CO2-Emissionen in den letzten Jahren angestiegen. Auch in der Industrie und der energetischen Gebäudesanierung muss Hamburg besser werden.
Warum steigen die Emissionen an?
Es werden immer mehr Autos zugelassen. Es gibt über 800.000 Autos in Hamburg. Vor fünf Jahren waren es noch 50.000 weniger. Hamburg hinkt bei der Umstellung auf klimafreundliche Mobilität weit hinterher.
Die Hamburger sind also Autofans?
Selbst die neu gebaute Hafencity ist auf das Autofahren ausgerichtet. Auch hier fährt man auf vierspurigen Straßen. Da sind andere Städte wie Paris oder London sehr viel weiter. Dort werden Straßen knallhart für das Auto gesperrt.
Aber der Jungfernstieg ist doch jetzt autofrei …
Das stimmt, aber wir diskutieren schon so lange über einzelne Straßen und autofreie Stadtteile. Selbst Oberbillwerder, Hamburgs neuester Stadtteil, wird nicht autoarm organisiert. Die Stadt muss da offensiver werden.
Und was ist mit dem Elektroauto?
Bevor ein Elektroauto das erste Mal gefahren ist, hat es schon eine höhere CO2-Bilanz als ein Benziner. Daher muss Hamburg den Verkehr öffentlich organisieren. Wir müssen weg von der Individualmobilität.
Deshalb werden ja die U5 und die S4 gebaut. Warum reicht Ihnen das nicht?
Es ist richtig, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Aber schauen wir uns die U-Bahnlinie 5 mal an: Es werden 25 Kilometer an neuer Strecke gebaut. Die Energie, die man benötigt, um den Tunnel, die Einstiegsschächte, die Rettungswege und die Stationen zu bauen, setzt so viel CO2 frei, dass es 100 Jahre bräuchte, bevor sich die Nutzung der U5 für den Klimaschutz überhaupt lohnen würde.
Tatsächlich?
Das wurde alles in Studien ausgerechnet. Deshalb fordern wir eine Stadtbahn für Hamburg. Die könnte man oberirdisch bauen. Das würde weniger CO2 erzeugen, ginge viel schneller und wäre effektiver einsetzbar. Und es würde genauso viel kosten.
Was könnte die Stadt noch tun?
Als Mehrheitseigner des Flughafens könnte die Stadt Kurzstreckenflüge unter 600 Kilometer stärker ausgrenzen. Die kann man nämlich auch gut mit der Bahn fahren. Dafür hätte man die Coronakrise jetzt gut nutzen können.
Digitale Veranstaltung: Zweiter Hamburger Klimagipfel zum Thema „Mobilität und Klimaschutz“. Unter anderem mit Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). 19 Uhr. Anmeldung hier: bund-hamburg.de/klimagipfel2021
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