: Ein Mann wie eine Praline
MUSIK Der Hamburger Roger Cicero macht zusammen mit seiner Big Band poppigen Swing mit sanft ironischen Texten für Leute zwischen 30 und 50. Im Oktober startet seine Tour
VON FLORIAN ZINNECKER
„Andere Hörer kauften auch: Annett Louisan, Barbara Schöneberger, Ina Müller, Udo Lindenberg, Silbermond“. So steht es im Internet bei einem Anbieter von Roger Ciceros neuem Album „Artgerecht“. Auf den ersten Blick leuchten die Kaufentscheidungen auch ein: Cicero singt auf deutsch über Zweisamkeit und ihre Folgen, er erklärt mit ein paar hübschen Kalauern die Welt, nimmt sich ein bisschen selbst auf die Schippe und ein bisschen die anderen. Außerdem lässt er seine Songtexte von Frank Ramond schreiben, der auch Frau Louisan, Herrn Lindenberg und die Schöneberger betextet. Kurz gesagt: Roger Cicero ist zwar anders als seine Kollegen, aber in dem, was er macht, genauso erwartbar.
Was nichts Negatives heißen muss. Das, was Roger Cicero macht, macht er gut. Cicero ist ein Crooner, er hat eine swingende Big Band auf der Bühne und so viel Pop in den Songs, dass die Nostalgie nur Zitat ist und nie Imitat. Er und seine Band sehen smart aus und sind gut gekleidet, was nicht unerheblich sein dürfte für den großen Anteil an Frauen unter den Fans. Mit 39 Jahren hat Cicero seine Jugend hinter sich und hat verstanden, dass es klug ist, daraus etwas zu machen: Seine Texte wenden sich an Leute seines Alters, seine Ironie speist sich aus einer gewissen Lebenserfahrung, ohne dass das Reflexionsniveau irgendjemand überfordern würden. Cicero ist nicht abgehoben. Aber doof ist er auch nicht.
Cicero wurde in Berlin als Sohn des Jazzpianisten Eugen Cicero geboren und lebt mittlerweile mit Freundin und Sohn Louis in Hamburg-Winterhude. Das Solide seiner Musik mag mit dem Thema „Ausbildung“ zu tun haben: Roger Cicero hat an der Amsterdamer Hochschule Jazzgesang studiert – gut möglich, dass nicht jeder seiner damaligen Kommilitonen heute zu ihm aufsieht, wenn er „professionell“ auf „Nacktmodell“ reimt. Dass Cicero voll hinter dem steht, was er tut, macht die Sache nicht spannender, aber immerhin glaubwürdig.
Zurzeit ist Cicero gleich doppelt und dreifach gefragt: Im Oktober startet seine Deutschland-Tour. Und die will beworben sein. Deshalb wird Cicero seit Monaten zu Sat.1 ins Frühstücksfernsehen eingeladen, zum MDR, in den ZDF Fernsehgarten, gleich noch mal ins Frühstücksfernsehen, dann kurz zum Dalai Lama und dann noch ins Volksmusik-TV zu Carmen Nebel – zum Duett mit Udo Jürgens. Man kann sich seine Fans eben nicht aussuchen.
Die lassen sich übrigens leicht identifizieren: Wer nicht weiß, dass Rogers Vorname nicht hamburgisch „Roger“ oder englisch „Rotscher“ ausgesprochen wird, ist keiner. Richtig ist’s französisch: Roschee, wie die goldverpackte Praline mit harter Schale und pappigem Nugatkern, die immer ein paar Nusssplitter im Zahnfleisch hinterlässt.
Und apropos „Nacktmodell“: Dass die Zeitschrift Emma Roger Cicero einmal den zweifelhaften Titel „Pascha des Monats“ verlieh, hat Cicero sogar Mario Barth voraus. Und: Er ist der einzige deutsche Künstler, der beim Eurovision Song Contest angetreten und den dabei davongetragenen Totalschaden halbwegs gut wegstecken konnte. Abgesehen von Cindy & Bert.
nächste Konzerte im Norden: 23. Oktober Hannover, AWD-Hall; 28. Oktober Braunschweig, Stadthalle; 14. November Bremen, Halle 7