Frieden scheint seltsam

Mit „Wir sind jetzt hier“ haben Ronja Wurmb-Seibel und Niklas Schenck eine Dokumentation über junge Flüchtlinge in Deutschland gemacht

Von Wilfried Hippen

Manchmal schaut Hasib in den Spiegel und fragt sich, ob er wie ein Krimineller aussieht. Denn so sehen ihn viele Menschen in Deutschland – weil er jung ist und aus Afghanistan geflohen ist. Hasib ist einer von sieben Flüchtlingen, die in Hamburg und Schleswig-Holstein leben und in der 45 Minuten langen Dokumentation „Wir sind jetzt hier“ von ihren Erfahrungen berichten. Hasibs Pflegeeltern Ronja Wurmb-Seibel und Niklas Schenck haben den Film gemacht und man kann spüren, wie vertraut sie mit dieser Problematik sind.

Deshalb erzählen die Pro­tagonisten offen und anschaulich davon, wie es sich anfühlt, jetzt „hier“ zu sein. „Es ist hart, Deutsch“, sagt etwa Hasib über seine sprachlichen Schwierigkeiten. Aber der Satz hat auch eine tiefere Bedeutung, und diese wird immer offensichtlicher, wenn Hussein aus Syrien und Ahmed aus dem Irak erzählen, wie fremd und alleingelassen sie sich in den ersten Monaten in Deutschland fühlten, wie sie mit der Fremdenfeindlichkeit hier umgehen mussten und wie quälend es war, Monate oder Jahre lang auf den „gelben Brief“ von der Ausländerbehörde zu warten. Azim aus Afghanistan beschreibt, wie seltsam es für ihn war, plötzlich in einem Land zu sein, in dem Frieden herrscht und die Leute auf den Straßen nicht mit Waffen herumlaufen.

Es wurde viel über „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ berichtet – hier kommen sie selber zu Wort. So Najib Faizi, der geschminkt und im schulterfreien Oberteil vor der Kamera berichtet, wie gefährlich sein Leben als Homosexueller in Afghanistan war. Auf ein paar Schnappschüssen sieht man, wie er sich heute als LGBTIQ*-Aktivist engagiert. „Wir sind jetzt hier“ wurde zwar weitgehend mit derselben Kameraeinstellung gedreht, aber Wurmb-Seibel und Schenck sind keine Puristen. Wenn es passte, wurden auch Handyaufnahmen einmontiert, wie Azim aus Afghanistan seine Familie, die er jahrelang nicht mehr gesehen hatte, auf dem Flughafen begrüßt. Und Ahmed aus Somalia, der sich in Deutschland als Rapper einen Namen macht, tritt sogar in einem eigens für den Film inszenierten Musikvideo auf. Inzwischen gehen alle sieben Protagonisten regelmäßig zur Schule oder zur Arbeit. Und das deutsche Lieblingswort von Hussein und Ahmed ist „Feierabend“.

Eine Kinotour der Dokumentation ist wegen Corona unmöglich geworden. Deshalb wird sie jetzt bei Online-Vorführungen mit Filmgesprächen präsentiert.

Stream: Sa, 23. 1., 19 Uhr, Landtag Schleswig-Holstein. Anmeldung per Mail an veranstaltungen.fb@landtag.ltsh.de, Diskussion mit Ronja von Wurmb-Seibel und Najib Faizi