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Archiv-Artikel

Körting filmt mit

Der Senat will in U-Bahnen und Bahnhöfen Videoüberwachung rund um die Uhr. Der einjährige Modellversuch soll Kriminalität zurückdrängen – nicht Terror vorbeugen

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stellt sich hinter die jüngste Entscheidung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Datenschutzbeauftragten. Sie haben vereinbart, in einem Modellversuch drei nicht genannte U-Bahn-Linien und deren Bahnhöfe bis Ende Juli 2006 rund um die Uhr mit Videokameras zu filmen. Gleichzeitig wandte sich Körting gegen die Forderung seines Innenminister-Kollegen Günther Beckstein (CSU) aus Bayern, auch öffentliche Plätze und Straßen zu filmen.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix hatte zuvor nach längerem Zögern dem Modellversuch zugestimmt. Die Videoaufnahmen sollen von nun an 24 Stunden lang aufgehoben und danach automatisch überschrieben werden. Innensenator Körting hält die Aufzeichnungen „generell für zielführend“, um Fälle von Allgemeinkriminalität aufzuklären, beispielsweise Sachbeschädigungen, Drogenhandel oder Raub. Rauschgifthändler würden dadurch aus den U-Bahnen und Bahnhöfen vertrieben. Am Ende der Erprobungsphase im kommenden Jahr sollen unabhängige Experten über das weitere Vorgehen entscheiden.

Mit Blick auf die Bomben-Anschläge in London sagte Körting: „Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ist kein geeignetes Mittel zur Terrorismusbekämpfung.“ Dies „gaukelt Menschen Sicherheit vor, die man nicht gewähren kann“.

Körting kritisierte die Ankündigungen des bayerischen Innenministers, V-Leute des Verfassungsschutzes verstärkt in Moscheen einzuschleusen. Eine grundsätzliche Überwachung sei sogar verfassungswidrig und schaffe zwei Arten von Religionen: „die eine verfassungsfeindlich, die andere nicht“. Stattdessen müssten sich die hiesigen Imame „outen“ – also Probleme mit Radikalen in den eigenen Reihen benennen –. wie dies muslimische Geistliche in London nach den Bombenanschlägen vorgemacht hätten.

Die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr wird der Senat laut Körting nicht zum Anlass nehmen, „Berlins Plätze mit Videokameras voll zu kleistern“.

Die CDU-Opposition nutzte die Äußerungen des Innensenators, ihre Vorstellungen eines sicheren Berlins zu propagieren. Kurz gesagt lauten sie: mehr Personal, mehr Kameras. Der innenpolitische Unions-Sprecher im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel, fordert „eine flächendeckende Überwachung der Bahnhöfe spätestens zu Beginn der WM und ein Gesamtsicherheitskonzept“ des Senats.

Die FDP wendet sich gegen die Videoüberwachung und fordert mehr BVG-Personal vor Ort: „Die Beobachtung durch Kameras animiert Täter lediglich zur besseren Tarnung oder lässt sie in nicht überwachte Bereiche ausweichen“, sagte ihr Innenexperte Alexander Ritzmann.

MATTHIAS LOHRE