: Null Toleranz für Alkohol
Ein bloßes Grillverbot reicht den Law-and-Order-Bezirken nicht mehr. Nun wird auch der öffentliche Alkoholkonsum geahndet. SPD und PDS fürchten deshalb um die Lebensqualität der Stadt
Parkbesucher, Uferpromenierer, Seeromantiker – aufgepasst: Wer sich überall dort, wo es idyllisch ist, gerne mit einem Bierchen oder einem Gläschen Sekt zuprostet, sollte sich vorher genau auf dem Stadtplan orientieren. In manchen Bezirken nämlich heißt die Devise in diesem Sommer: Null Toleranz für Alkohol.
So zum Beispiel in Neukölln. Wer bei einem Bierchen in der Hasenheide sitzt, sollte es lieber verschwinden lassen, wenn sich die Ordnungshüter in ihrer dunkelblauen Dienstkleidung nähern. Sonst droht nämlich eine mündliche Verwarnung. Bei öffentlicher Belästigung können 10 Euro Verwarnungsgeld und sogar ein Platzverweis hinzukommen. Angebliche Grundlage für dieses Vorgehen der Ordnungsämter ist das Berliner Straßengesetz von 1999. Dort nämlich steht, dass der Verzehr von Alkohol im öffentlichen Straßenland verboten ist. Dass Parks kein Straßenland sind, scheint manchen Ordnungshütern dabei ganz egal zu sein.
Bislang spielte das auch keine Rolle, schließlich ist das Gesetz nicht angewandt worden. Mit der Bildung der bezirklichen Ordnungsämter im vergangenen September hat sich das aber geändert. „Unsere Aufgabe ist es, das Gesetz durchzusetzen“, sagt Sabine Heidrich-Joswig, die Leiterin der Neuköllner Ordnungsamtes. „Grundsätzlich gehört jeder angesprochen, der in der Öffentlichkeit Alkohol trinkt.“
Ganz ähnlich verhält es sich in Reinickendorf. Zwar sagte Baustadtrat Michael Wegner (CDU) gestern der taz: „Wir machen keine allgemeine Hetzjagd auf jeden Alkoholkonsumenten.“ Die Ahndung des Alkoholtrinkens in der Öffentlichkeit sei schon aufgrund der personellen Kapazitäten nicht durchführbar. An manchen Orten wie dem Schäfersee würde Wegner aber, wäre es rechtlich möglich, am liebsten härter durchgreifen.
In Spandau schließlich, so verriet Ordnungsamtsmitarbeiterin Elke Gassert der Berliner Zeitung, werde jeder angesprochen, „der mit einem Bier in der Hand auf einer Bank sitzt“. Zuerst gebe es eine Ermahnung, später folge die Feststellung der Personalien, ein Bußgeld oder ein Platzverweis. Rund um die Spandauer Altstadt stehen bereits Schilder, auf denen steht, dass der „Verzehr von Alkohol“ verboten sei.
Drohen Berlin nun also New Yorker Verhältnisse? Muss nun jeder, der eine Bierflasche öffnet, eine „brown bag“ bei sich haben? Bei uns nicht, sagt der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne). Er findet, dass das Alkoholverbot nicht mehr ganz zeitgemäß sei. „Das ist doch eigentlich schön, dass unsere Parks so beliebt sind“, freut sich Schulz. Und solange nicht allzu viele Bierflaschen zu Bruch gehen, will sich Schulz auch gar nicht beschweren. Das öffentliche Picknick sei für viele einfach ein Stück Lebensgefühl geworden.
Ähnlich sieht man das auch in Pankow. „Wir greifen nur ein, wenn es zu Lärm kommt und wenn sich andere Bürger gestört fühlen“, sagt Martin Federlein, CDU-Stadtrat für Stadtentwicklung. Eine Dienstanweisung an die Kiezstreifen, Alkoholkonsum auf der Straße generell zu ahnden, gebe es nicht.
Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus soll es die auch in Zukunft nicht geben. „Die Ordnungsämter sind dafür da, Ordnung und Sauberkeit herzustellen, aber nicht, um den Berlinern die Lebensfreude zu nehmen“, sagt der Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Stadtmüller. Seine PDS-Kollegin Kathi Seefeld ergänzt. „Die Bezirke sollten Toleranz walten lassen.“
Doch das kommt nicht in jedem Bezirk an. „Hinter dem unterschiedlichen Umgang in den Bezirken steckt auch ein politischer Streit um die Frage, wofür die Ordnungsämter zuständig sind“, sagt der Verwaltungsexperte Peter Rudolf Zotl von der PDS. „Viele CDU-Bezirke würden die Kiezstreifen am liebsten mit Schlagstöcken und Handschellen ausstatten. Für die ist das auch eine Kompensation für die Abschaffung der Freiwilligen Polizeireserve.“ KTI, TAG, WERA