berliner szenen: Es wird irgendwann doch hell
Um vier Uhr nachts werde ich wach und zwei Minuten später kämpfe ich gegen den Impuls, mir als Allererstes einen Kaffee zu machen. Stattdessen klappe ich mein Buch auf und lese. Ich möchte nur das Kapitel zu Ende schaffen, doch ich kann nicht aufhören und lese, bis der Wecker klingelt, drei Stunden später. Es ist aber keine Schlaflosigkeit, denn ich unternehme nicht einmal den Versuch, wieder einzuschlafen. Ich fühle mich fit, als hätte ich die Nacht durchgeschlafen und dabei etwas Schönes geträumt – in Wirklichkeit träumte ich davon, dass ich einen Artikel über den historischen Verlauf eines Lochs in der Potsdamer Straße schreiben muss.
Während ich lese, höre ich ein Tropfen, das ich zuerst zum Wasserhahn einordne, aber das vom Regen kommt. Es regnet ununterbrochen, und etwas tropft auf meinem Balkon, ich bin zu faul, um nachzuschauen, was. Im Haus gegenüber brennt auch ein Licht, beim Fotografen, den ich ab und zu beim Kochen beobachte und dessen Kamerablitze ich manchmal mit Blitzen eines Sturmes verwechsle. Es ist ein warmer Touch in der dunkelblauen, fast schwarzen Ansicht aus meinem Fenster, die sich nicht zu verändern scheint, auch wenn die Uhr bereits 7:30 zeigt.
Ich frage mich, ob es heute gar nicht hell wird, und mache das Radio an. Wenn so ein Phänomen im Gange wäre, was Ende 2020 niemanden überraschen würde, würden sie sofort darüber berichten oder wären sogar schon dabei, mit Expert*innen darüber zu diskutieren. Nach der Werbung (die ich immer erwische, wenn ich das Radio anmache) kommen die Nachrichten und sie drehen sich um die Mutation des Coronavirus in Großbritannien. Ich gehe also davon aus, dass es doch irgendwann hell wird, und mache mir endlich einen Kaffee. Und dann direkt noch einen.
Luciana Ferrando
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