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Opfer in Saudi-Arabien

Wegen Corona geht es in der asiatischen Fußball-Champions-League drunter und drüber. Jetzt stehen endlich beide Finalisten fest: Persepolis und Ulsan

Sieg gegen Vissel Kobe: Junior Negao (l.) vom FC Ulsan freut sich gemeinsam mit Bjorn Johnsen über den Final­einzug Foto: reuters

Aus Tokio Felix Lill

Im Iran dürfte die Stimmung längst verflogen sein. Zweieinhalb Monate ist es her, als der Teheraner Topklub Persepolis FC mit 5:3 gegen Al Nassr FC aus Saudi-Arabien gewann. Es war das Halbfinale der Asian Champions League. Der damit vollbrachte Einzug ins Finale ist einer der größten Erfolge in der Geschichte des iranischen Rekordmeisters. Aufs große Spiel, mit dem man sich nun erstmals zur besten Mannschaft Asiens krönen könnte, wartet man seither.

Die Asian Champions League 2020 ist das wohl seltsamste Kontinentalturnier, das je stattgefunden hat. Denn kaum ein Wettbewerb, der letztlich nicht ganz abgesagt wurde, ist so stark von der Coronapandemie betroffen wie dieser, der sich über den mit Abstand größten Erdteil des Planeten erstreckt. Nationale Meister und Topklubs aus zehn Zeitzonen – von Syrien bis Australien – treten gegeneinander an. Kulturell verbindet die teilnehmenden Länder nichts, bis auf die mehr oder weniger willkürliche Einteilung in den Riesenkontinent Asien.

Bei dem Blick auf die Champions League hat nicht einmal die Pandemie Gemeinsamkeiten geschaffen – im Gegenteil. Der Wettbewerb, der sich auf dem Weg ins Finale in je einen Ost- und Westturnierbaum aufteilt, ist im Jahr 2020 besonders ungleich. Der Westteil, der die arabischen Länder und Zentralasien beinhaltet, nahm nach dem Saisonstart im Februar und der baldigen coronabedingten Unterbrechung im September wieder den Spielbetrieb auf. Der Ostteil, zu dem Südost-, Ostasien und Teile Ozeaniens zählen, begann erst ab der zweiten Novemberhälfte wieder, die Gruppenphase weiterzuspielen.

Am Sonntag standen nun der südkoreanische Klub Ulsan Hyundai und der japanische Vissel Kobe im Halbfinale, die Partie endete 2:1. Ein extrem kompakter Spielplan ließ die Ostklubs im Turbogang aufholen. Während viele von ihnen – darunter die relativ starken Ligen in Japan und Südkorea – daheim gerade im Saisonendspurt stecken, spielten die international vertretenen Teams eine Schnellsaison auf katarischem Boden. Dort wurden innerhalb von drei Wochen alle Begegnungen von den noch ausstehenden Gruppenspielen bis zum Halbfinale ausgetragen. Am 19. Dezember trifft die dort erfolgreichste Truppe dann auf Persepolis FC, den Finalisten aus dem Westbaum.

Nicht jeder ist mit dieser Form der Austragung glücklich. Im Osten klagten Klubs über den nun sehr engen Terminkalender, der auch in der heimischen Liga zu Verzerrungen führe. Zudem bleiben Vorbehalte, was die Sicherheit angeht. So erklärte zuletzt Kim Doo-hoon, Trainer von Ulsan Hyundai aus Südkorea, wo man das Virus relativ gut im Griff hat: „Es ist schon wahr, dass sich viele meiner Spieler Sorgen wegen des Coronavirus machen und wegen dieser Krankheit großer Druck herrscht.“

Andererseits habe der konzentrierte Aufenthalt in Katar auch Vorteile, findet Kenta Hasegawa, Trainer des am vergangenen Sonntag im Achtelfinale ausgeschiedenen FC ­Tokyo: „In einer zentralisierten Turnierform wie dieser müssen wir immerhin nicht reisen.“ Tatsächlich machen die weiten Entfernungen, die man im asiatischen Fußball zurücklegen muss, einen deutlich größeren Unterschied als in Europa.

Besonders sauer ist man aber in der Westhälfte des Wettbewerbs, die schneller durchgezogen wurde und wo der Terminkalender auch schwere Opfer forderte. Neben Al Wahda aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde auch ein Klub vom Spielbetrieb disqualifiziert, der prominenter kaum hätte sein können. Champions-League-Titelverteidiger Al Hilal aus Saudi-Arabien musste noch während der Gruppenphase ausscheiden, obwohl der Mannschaft gute Chancen auf den erneuten Gewinn eingeräumt worden waren.

Die Asian Champions League 2020 ist das wohl seltsamste Turnier, das je stattgefunden hat

Der Grund für die Disqualifikation: Zu Beginn der angesetzten Spielrunde für den Westbaum, der ebenfalls in Katar stattfand, waren in dem Verein 31 Personen positiv auf Covid-19 getestet worden. So konnte Al Hilal nur elf gesunde Spieler melden, darunter drei Torhüter. Laut Turnierregeln müssen mindestens 13 Spieler gemeldet werden. „In Europa gibt es eine klare Vorgehensweise, wodurch in solchen Fällen Spiele abgesagt oder verschoben werden können“, klagte Al-Hilal-Trainer Roman Lazvan Ende September. In einem langen Statement verlangte der Klub die Rücknahme der Entscheidung. Doch die Asian Football Conference, der Kontinentalverband, blieb bei ihrem Entschluss.

Der Titelgewinn in diesem Jahr zähle nicht, wird seitdem gelästert. Jedenfalls wird es bis zum Ende bei Wettbewerbsverzerrungen bleiben. Auch das Finale am 19. Dezember findet in Katar statt, im Al-Janoub-Stadion, das auch während der Weltmeisterschaft 2022 zu den Spielstätten zählen wird.

Der Finalist aus Südkorea dürfte gut an die Umstände vor Ort angepasst sein. Der schon lange ermittelte Finalteilnehmer aus dem Westen, Persepolis FC, ist dann wohl schon lange nicht mehr im Saft.

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