: Britische Soldaten stehen vor Gericht
Erstmals wird in Großbritannien ein Prozess wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gemäß dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs geführt. Es geht dabei um einen Fall in der südirakischen Stadt Basra. Die Militärführung ist entsetzt
AUS LONDON RALF SOTSCHECK
Der britische Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith hat am Dienstagabend Anklage gegen drei Soldaten erhoben, weil sie im Irak Kriegsverbrechen begangen haben sollen. Es ist das erste Mal, dass britische Soldaten nach dem Gesetz zum Internationalen Strafgerichtshof von 2001 belangt werden. Großbritannien hat das internationale Statut ratifiziert, es aber gleichzeitig ins britische Recht übernommen, sodass die Soldaten nicht vor das Gericht in Den Haag, sondern vor ein britisches Militärgericht gestellt werden.
Donald Payne, 34, Wayne Crowcroft, 21, und Darren Fallon, 22, vom Königlichen Lancashire-Regiment wird vorgeworfen, zwischen dem 13. und 15. September 2003 irakische Gefangene in Basra misshandelt zu haben. Payne ist auch wegen Totschlags eines Zivilisten angeklagt. Er soll den 26-jährigen Hotelangestellten Baha Musa so geschlagen und getreten haben, dass dieser drei Tage später starb. Der damalige Kommandant des Regiments, der hoch dekorierte Oberst Jorge Mendonca, muss sich in diesem Fall wegen Vernachlässigung seiner Amtspflichten verantworten. Sieben weitere Soldaten wurden auf Grundlage anderer Gesetze wegen Totschlags und Misshandlung von Gefangenen angeklagt. Vier von ihnen sollen am 8. Mai 2003 in Basra vier Plünderer gefangen genommen und geschlagen haben. Danach sollen sie die Gefangenen gezwungen haben, in einen Kanal zu springen. Der 17-jährige Ahmed Kareem konnte nicht schwimmen und ertrank.
Die Anklagen haben beim britischen Militär Entsetzen ausgelöst. Vor einer Woche hatten hochrangige ehemalige Armeemitglieder davor gewarnt, der „politischen Korrektheit“ nachzugeben und zuzulassen, dass Soldaten „rechtliche Fesseln von Anwälten angelegt werden, die keine Ahnung davon haben, was es heißt, nicht einer konventionellen Armee, sondern Aufständischen im Irak gegenüberzustehen“. Solche Anklagen würden der Moral der Soldaten schweren Schaden zufügen. Der Armeechef, General Michael Jackson, sagte, es rege ihn auf, wenn seine Soldaten vor die Gerichte gezerrt werden, während so viele andere, wie zum Beispiel die US-Truppen, ungeschoren davonkommen, weil die USA das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht unterzeichnet haben.
Der Kommandant des Lancashire-Regiments, Brigadegeneral Geoffrey Sheldon, kritisierte auch das Disziplinarverfahren gegen Mendonca. Es sei „schwer verdaulich“, sagte Sheldon, da Mendonca nach Musas Tod eine Untersuchung eingeleitet habe. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass Basra damals eine „höchst gefährliche und schwierige Stadt“ gewesen sei.
Goldsmith sagte jedoch, die Anklagen seien im öffentlichen Interesse. Verteidigungsminister John Reid fügte hinzu, er sei „sehr stolz“ auf die Rolle, die die britischen Streitkräfte in der Welt spielten. Aber gerade deshalb müssten Anschuldigungen, dass Soldaten die hohen Standards nicht erfüllten, genauestens untersucht werden.