: In Kiel eine Wackelpartie wie üblich
In Schleswig-Holstein verzeichnet die SPD herbe Verluste. Die Union ist stärkste Partei. Die Liberalen und die Grünen legen deutlich zu. Die Linke zieht erstmals ins Landesparlament ein
AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER
Im großen Saal des Kieler Landtages, in dem die SPD ihre Wahlpartei feierte, herrschte Frust am gestrigen Abend: Nach ersten Hochrechnungen erhielten die Sozialdemokraten unter ihrem Spitzenkandidaten Ralf Stegner 25,5 Prozent. Ein historisch schlechtes Ergebnis.
Echter Jubel kam aber auch bei der CDU nicht auf, obwohl sie mit 31 Prozent stärkste Fraktion im Parlament wird. Gewinner sind dagegen die kleineren Parteien: Die FDP kam auf 15,6, die Grünen auf 11,9, der SSW auf 4 Prozent. Die Linke zog mit 6,6 Prozent der Stimmen erstmals in den Landtag ein. Bis zum späten Abend spannend war die Frage, in welcher Koalition ab sofort in Schleswig-Holstein regiert werden kann. Ohne Ausgleichsmandate erhält die CDU nach ersten Prognosen 23 Mandate, die FDP 11, sodass beide Parteien zusammen auf 34 der 69 Abgeordnetensitze Platz nehmen können. SPD (19), Grüne (9), Linkspartei (4) und SSW (3) kommen hingegen gemeinsam auf 35 Sitze im Kieler Landtag.
Mit Überhangmandaten hätte Schwarz-Gelb eine Einstimmenmehrheit gegenüber allen anderen Parteien gemeinsam. Der FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki interpretierte dieses Ergebnis: „Es wird eine Regierung unter Beteiligung der FDP und keine unter Herrn Stegner geben.“ Möglich wäre auch, dass CDU-Landesparteichef und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen auf ein Dreierbündnis setzt, um die hauchdünne Mehrheit solider zu gestalten. Verhandlungen sind sowohl mit den Bündnisgrünen, als auch mit dem SSW möglich. Festlegen wollten sich die Parteien gestern noch nicht: „Ich kann mir da sehr viele Koalitionen vorstellen“, sagte der Landeschef der Grünen, Robert Habeck. Er kündigte an, mit allen Parteien reden zu wollen. Jamaika, also eine schwarz-gelb-grüne Koalition, sei zwar rechnerisch möglich, „drängt sich aber inhaltlich wahrlich nicht auf“. Die SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk erklärte, sie sei mit dem Wahlergebnis zufrieden. Sie betonte, ihre Fraktion stehe nicht als billiger Mehrheitenbeschaffer zur Verfügung. Zwei Stockwerke weiter oben im Landeshaus spekulierte auch der FDP-Mann Garg über mögliche Koalitionen. Jamaika sei zwar möglich, lieber sei ihm aber ein Dreierbündnis aus CDU, FDP und der Minderheitenpartei SSW: „Wir haben in den vergangenen vier Jahren gelernt, dass es auf gute Zusammenarbeit ankommt.“ Das halte er mit dem SSW für besser gewährleistet.
Der Spitzenkandidat der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, hat die Niederlage seiner Partei bei der vorgezogenen Landtagswahl eingestanden. „Das muss man ohne Wenn und Aber sagen. Wenn es so kommt, dann ist das eine schmerzliche Niederlage“, sagte der Landeschef am Sonntagabend in Kiel. Man sei von der CDU zum Wahlkampf gezwungen worden. „Wir waren nicht darauf vorbereitet.“ Dennoch sei es noch nicht ausgemacht, ob es für Schwarz-Gelb reiche.
Andreas Breitner, stellvertretender Landesvorsitzender der SPD, erklärte, er sei mit dem Ergebnis „natürlich nicht zufrieden“. Die Partei habe auf mehr gehofft. Dennoch werde es Verhandlungen geben – die allerdings schwierig werden, da dazu alle Parteien außer FDP und CDU bereit sein müssten. Die FDP hatte eine Ampel ausgeschlossen. „Ein Chaosbündnis unter Beteiligung der Linken kann ich mir nicht vorstellen“, so eine SPD-Spitzenpolitikerin gegenüber der taz.
Auch die Linke steht dafür zurzeit nicht bereit, sagte deren Spitzenkandidatin Antje Jansen: Sie stehe für „knallharte Opposition“ und werde SPD und Grüne an ihre Wahlversprechen erinnern. Zum guten Abschneiden der kleineren Parteien sagte der FDP-Politiker Heiner Garg: „Die schwarz-rote Koalition hat uns vier Jahre lang Steilvorlagen geliefert.“ Während die Großen gestritten hätten, hätten alle Oppositionsparteien auf Inhalte gesetzt – das habe der Wähler anerkannt. Jansen, Spitzenfrau der Linken, erklärte, die „Menschen hätten das Eintreten für soziale Gerechtigkeit honoriert“. Es wurde ein langer Abend in Kiel.