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zwischen den rillenKlassenfahrt ins Düstere

Über die Verhältnisse in Belarus lernt man auch etwas, wenn man sich die bekanntesten Pop-Exporte des Landes anschaut. Zu den fern der Heimat gefragtesten Bands gehört seit einigen Jahren das Minsker Postpunk-Trio Molchat Doma. Es spricht Bände, dass Molchat Doma – übersetzt so viel wie „Die schweigenden Häuser“ – während ihrer Tourneen durch Frankreich, England, Deutschland und viele weitere Staaten gefeiert wurden, aber in Belarus fast nie auftreten.

Denn um in Minsk zu spielen, erklärte Gitarrist und Keyboarder Roman Komogortsev kürzlich gegenüber der britischen Musikzeitschrift Wire, müsse man ein Zertifikat des Minsker Kulturdezernats beantragen. Molchat Doma seien dort schon oft abgelehnt worden mit der Begründung: „unzureichendes künstlerisches Niveau“. Mit dezidierten politischen Äußerungen hält sich die Band, die zudem aus Sänger Egor Shkutko und Bassist Pavel Kozlov besteht, aus Furcht vor Repressionen dabei schon zurück.

Um Molchat Doma und ihre meist ultradüsteren Synthie-Klanglandschaften hat sich dafür international zuletzt ein kleiner Hype entfacht – und das, obwohl ihre Texte auf Russisch sind. Das ursprünglich 2018 auf dem Berliner Label Detriti veröffentlichte zweite Album „Etazhi“ erschien im Frühjahr erstmals in den USA. Daraufhin wurde die Nummer „Sudno“ zum Hit, bei Tiktok war plötzlich belarussischer Cold Wave das nächste Ding. Der Track, dessen Text ein Gedicht des russischen Dichters Boris Ryzhy ist, hat bei Youtube inzwischen mehr als 11,4 Millionen Clicks.

Heute erscheint mit „Monument“ das dritte Album beim US-Label Sacred Bones, das auf Dunkles und Doomiges abonniert ist. Ein Monument ist auch auf dem Cover abgebildet: in verblasstem Blaugrau ragen dort Hammer, Sichel und Pinsel in den Himmel, umgeben von Meereswellen. Die Spur führt nach Pjöngjang, es handelt sich um das Denkmal der Einheitspartei Nordkoreas. Im Videoclip zu „Discotheque“, einem der wenigen Songs mit euphorischen Anklängen, taucht es erneut auf, und dort wird es durchaus witzig (und mutig): Das Denkmal steht plötzlich vor der Nationalbibliothek Weißrusslands, es dient als Tür zur „Discotheque“.

Später spielt die Band inmitten der Büsten Lenins, Stalins und weiteren Geistern der Vergangenheit, zwischen all jenen baumelt eine Spiegelkugel. Die totalitäre/realsozialistische Ästhetik, mit der Molchat Doma des Öfteren spielen, wird vollends gebrochen, die Parole lautet: Tanz den Lukaschenko, tanz den Kim Jong Un!

Musikalisch dominieren New-Wave-Klänge: Da ist der sirrende, zischende Sound der Drum Machines, da sind schrille Synthies, da sind mäandernde Gitarren mit ordentlich Hall. Ganz so, als seien New Order, OMD und The Human League anno 1983 auf gemeinsamer Klassenfahrt im Ostblock. Epigonal wirkt „Monument“ aber nicht; zum einen, weil Sänger Shkutko mit seiner Gruftstimme dem Sound einen Extrastempel aufdrückt, zum anderen, weil auch andere Musiktraditionen durchschimmern, manchmal etwa folkloristische Anleihen.

Mit den Songtexten, die das Label in englischer Übersetzung beifügt, verhält es sich ähnlich wie mit der visuellen Ästhetik: Man geht in der Kritik so weit, wie man gehen kann, versteckt sie aber auch mal hinter Liebesversen. Oder Molchat Doma singen über trübe Stimmung wie in „Ne Smeshno“, wo es heißt: „Dumme, sonderbare Gesichter gibt es mehr als genug hier. / Es sieht blöd aus, es sieht schräg aus. / Mir egal. / Wie ein schlechter Witz, überall lachen sie laut. / Aber ich finde es nicht lustig.“

So klingt „Monument“ wie der Abgesang auf ein repressives System, es ist klar, wo die Band steht. Als die Demonstrationen in Minsk Mitte August losgingen, trugen Molchat Doma zum Soli-Sampler „For Belarus“ den Track „Ya ne kommunist“ („I’m not a communist“) bei – initiiert wurde die Kompilation von der in Berlin lebenden belarussischen Musikerin Galina Ozeran. Als Soundtrack zum Widerstand seien sowohl Molchat Doma als auch der Sampler empfohlen.

Jens Uthoff

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