: Unerhörter Protest
Mehrere hundert Demonstranten protestierten gegen das öffentliche Bundeswehrgelöbnis. Ihr Ziel, die Zeremonie zu stören, erreichten sie aber nicht. Die Organisatoren kündigten weitere Aktionen an
Von KATHI PREPPNER
„Jetzt bloß nicht umdrehen“, wird er sich gedacht haben. Beim zweiten Mal tat er’s doch, obwohl der Polizist vom Anti-Konflikt-Team eigentlich versucht, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Die beiden Demonstrantinnen in schwarzen Kapuzenpullis, die ihm aus zwei Metern Entfernung mit einem langen Stock auf die Schulter tippen, lachen sich ins Fäustchen.
Fäuste strecken viele der mehr als 200 DemonstrantInnen – die Veranstalter sprechen von 500 bis 600 – gegen das schon traditionelle Bundeswehrgelöbnis am Bendlerblock am Mittwochabend in die Höhe. Bei starkem Regen versammelten sie sich gegen 17 Uhr am Bahnhof Friedrichstraße. Eine Dreiviertelstunde später ziehen sie über die Friedrichstraße, die Leipziger Straße und den Potsdamer Platz bis zum Reichpietschufer. Der Zug verläuft überraschend ruhig: Die AntimilitaristInnen tragen Transparente mit Aufschriften wie „Kriegseinsätze stoppen“ und werden von Musik aus den Lautsprechern vom Bulli des Gelöbnix-Bündnisses begleitet. Das Bündnis besteht aus Mitgliedern der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB), der Kampagne gegen Wehrpflicht, dem Büro für antimilitaristische Maßnahmen und weiterer Gruppierungen.
Mehrere hundert Meter vorm Bendlerblock, wo das Gelöbnis mit 320 Rekruten stattfindet, versperrt dann die Polizei den Weg, es geht nicht mehr weiter. Doch die DemonstrantInnen legen jetzt erst richtig los. Sie holen Trillerpfeifen, Trommeln und Tröten heraus und legen los. Schließlich sind sie gekommen, um zu stören. „Nun sind wir zum neunten Mal hier, und es sieht aus wie immer“, schallt es vom Wagen. „Da wollen wir angemessen Krach machen.“
Lärm war also diesmal das gewählte Mittel. In den Vorjahren hatten die Gelöbnis-GegnerInnen immer wieder fantasievoll gegen die von ihnen kritisierte Militarisierung des öffentlichen Raums protestiert: Sie blockierten Straßenkreuzungen und schickten zwei vermeintliche Töchter von Scharping in einer gemieteten Limousine in den Bendlerblock, die dort Alarmsirenen rausholten. Sie traten als Schafe zum ersten Schafsgelöbnis der Geschichte an und gelobten „dem Staat der Schafsköpfe treu zu dienen und tapfer ins Gras zu beißen“. Sie versteckten sich in den Lüftungsschächten der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate und sorgten mit Flitzern für Aufsehen. Auch im vergangenen Jahr war es den Protestierenden gelungen, die Zeremonie auf dem Gelände des Bendlerblocks zu stören.
Dazu kommt es diesmal nicht. Selbst die über Lautsprecher verkündete Nachricht, das Gelöbnis sei wegen des Lärms unterbrochen worden, stimmt nicht – damit habe man die Stimmung anheizen wollen, sagt Sebastian Schumann von der ALB. Trotzdem sind die AntimilitaristInnen zufrieden, denn das eigentlich öffentliche und feierliche Bundeswehrgelöbnis sei durch ihre Proteste weder feierlich noch öffentlich. Und im Jahr des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr gebe es noch viele Gelegenheiten zu protestieren, so Schumann. „Das war erst das Warm-up.“