Die Handball-Bundesliga im Corona-Modus: „Der nackte Kampf ums Überleben“

Im Handball hat man auf eine Studie gesetzt, nach der Veranstaltungen mit Hygienekonzepten unbedenklich sind – vergeblich. Jetzt drohen Insolvenzen.

Zwei Handballer im Kampf im Zweikampf

Gefährdetes Spektakel: Leipzigs Firnhaber im Kampf gegen den Löwen Gonzalez (r.) Foto: Thomas Frey/imago

Es ist schon eine Weile her, dass Frank Bohmann zur Schule ging, aber zuletzt hat der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) mal wieder daran gedacht. „Es fühlt sich so wie früher in der Klasse an, wenn einer was angestellt hatte und alle dafür bestraft wurden“, sagt Bohmann, als er sich zu der politischen Anordnung äußerte, nach der die Profisport-Ligen im Monat November zwar ihren Spielbetrieb fortsetzen, aber keine Zuschauer zulassen dürfen.

Die Vereine außerhalb der 1. und 2. Fußball-Bundesliga kämpfen seit dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr wirtschaftlich ums Überleben, mittlerweile drohen auch im Handball Insolvenzen. Die fehlenden Einnahmen bei Heimspielen verschärfen die ohnehin schon angespannte Lage. Das ist vor allem deshalb schmerzhaft, weil eine wissenschaftliche Studie gerade nachgewiesen hat, dass ein Ansteckungsrisiko bei Veranstaltungen mit Hygienekonzepten verschwindend gering ist.

Handball-Boss Bohmann kennt die Ergebnisse der Studie der Universitätsmedizin in Halle (Saale). „Die Gefahr in einer Halle ist geringer als beim Einkaufen oder beim Busfahren“, sagt Bohmann. Am Donnerstag stellten die Forscher in Halle die Erkenntnisse vor, die sie bei einem Konzert mit dem Musiker Tim Bendzko Ende August wissenschaftlich gesammelt hatten. In unterschiedlichen Szenarien und bei unterschiedlicher Hallenauslastung wurden die Anzahl und die Intensität der Kontakte aufgezeichnet, die Besucher zueinander hatten, daraus abgeleitet wurde die Gefahr der Infektion mit dem Covid-19-Erreger.

Das Resultat: „Es könnten Veranstaltungen unter bestimmten Bedingungen auch in der Pandemiesituation stattfinden. Die wichtigste Erkenntnis war für uns, wie groß die Auswirkungen einer guten Belüftungstechnik sind. Diese ist für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente“, erklärt Studienleiter Stefan Moritz. Laut Information der Studienleitung wurden „Daten generiert, mit denen wir politische Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis fällen können“. Die Botschaft: Bei Umsetzung von Hygienekonzepten stellen Veranstaltungen mit Zuschauern keine Gefahr dar – und Hygienekonzepte haben alle Handballklubs der ersten und zweiten Liga ausgearbeitet.

Der Druck steigt

Das Problem aus Sicht der Handballvereine, die sich wie die Veranstaltungsbranche insgesamt einen positiven Effekt von der Studie erhofft hatten: Bei den politischen Entscheidungen der Konferenz der MinisterpräsidentInnen und der Bundeskanzlerin am Mittwoch spielten wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle – weshalb sich Bohmann an die eigene Kindheit erinnert fühlte. Weil private Kontakte im Monat November stark eingeschränkt werden sollen, entschloss sich die Politik dazu, quasi als symbolischen Akt, auch keine Veranstaltungen mit Zuschauern zu erlauben. Ein Entschluss, der den Handball gewaltig unter Druck setzt.

Frank Bohmann, Liga-Chef

„Es ist wie früher in der Klasse. Einer stellt etwas an und alle werden bestraft“

„Wir sind am Ende der Möglichkeiten angekommen“, sagt HBL-Boss Bohmann. Seit März haben sich die Vereine gegen die Folgen der Krise gewehrt. Die Sportler akzeptierten schmerzhafte Gehaltseinbußen, Mitarbeiter der Vereine befinden sich zum Teil seit Monaten in Kurzarbeit. Die Liquidität nimmt dennoch zusehends ab, die Rücklagen sind längst aufgebraucht. Insolvenzen von Vereinen sind absehbar, nur der Zeitpunkt scheint offen. „Das ist definitiv nicht auszuschließen“, sagt Bohmann.

Hoffnung geben die angekündigten staatlichen Hilfen – auch wenn es sich bislang als schwierig erwies, die im Frühjahr angekündigte Unterstützung von bis zu 800.000 Euro pro Klub abzurufen. Die Profiklubs erfüllten nicht direkt alle Anforderungen zur Unterstützung, inzwischen sei aber nachjustiert worden. „Das wäre eine Hilfe“, sagt Jennifer Kettemann, die Geschäftsführerin des zweimaligen Meisters Rhein-Neckar Löwen: „Das gäbe uns ein paar Wochen Luft.“

Insgesamt ist die Lage aber überall angespannt. Bei den Großen der Branchen aus Kiel, Flensburg oder Mannheim – ebenso bei den kleineren Klubs wie Ludwigshafen, Balingen oder Minden. Die Pandemie hat die Geschäftsmodelle aller ins Wanken gebracht. Kettemann verpackt die Lage der gesamten Liga in einen Satz: „Es ist der nackte Kampf ums Überleben.“

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