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Die gute Idee ist erst der Anfang

Erfolg ist schwer vorhersehbar. Aber es gibt Faktoren, die eine gelingende Unternehmensgründung wahrscheinlicher machen. Gute Beratung und kaufmännisches Know-how gehören dazu. Die ökologische Suchmaschine Ecosia aus Berlin macht vor, wie es geht

Die deGUT

Die Deutschen Gründer- und Unternehmertage (deGUT) finden am 9. und 10. Oktober zwischen 10.00 und 18.00 Uhr in der ARENA in Treptow, Eichenstr. 4, statt. Halbtagestickets können für 7,50 Euro (3,75 ermäßigt) ausschließlich online unter degut.de erworben werden. Plätze in den Seminaren und Veranstaltungen müssen vorab online reserviert werden. Es gibt eine anonymisierte Anwesenheitszeitdokumentation. Besucher*innen müssen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. www.degut.de

Von Helke Diers

Christian Kroll hat es geschafft. Er gründete 2009 die grüne Suchmaschine Ecosia. Fünfzehn Jahre zuvor wusste noch niemand, was eine Suchmaschine ist, heute verarbeitet Google über 3 Milliarden Anfragen täglich. Ecosia ist – nach Microsofts Bing – mit knapp 1 Prozent Marktanteil die Nummer drei in Deutschland. Das Unternehmen verwendet Einnahmen aus den Werbeanzeigen und pflanzt gemeinsam mit Partnerorganisationen weltweit Bäume, nach eigenen Angaben einen für rund 45 Suchanfragen. Christian Kroll wird am Freitag auf den Deutschen Gründer- und Unternehmertagen (deGUT) sprechen.

Geboren Anfang der achtziger Jahre, erlebte Kroll früh die Selbstständigkeit der Eltern. „Da habe ich etwas mitbekommen: den Mut, die Verrücktheit, die Verzweiflung oder wie man es auch nennen möchte.“ Zunächst studierte er Betriebswirtschaft, finanzierte das Studium mit ­einer Website für Bankvergleiche. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, etwas auszuprobieren, schimmerte bereits durch. Er habe gemerkt, dass Suchmaschinen Einfluss darauf haben, wer sichtbar ist und wer nicht.

Drei Starts bis zum Erfolg

Nach dem Studium versuchte er in Nepal eine Suchmaschine zu entwickeln. Und scheiterte. „Es hat nicht geklappt, weil ich nicht wusste, wie man eine Suchmaschine baut und wie man ein Unternehmen aufbaut“, sagt er. Fehlender Strom und kulturelle Schwierigkeiten kamen hinzu. Der zweite Versuch, die Suchmaschine Forestle, leitet heute auf Ecosia weiter. Angestachelt von seiner Weltreise und den dort sichtbaren Folgen des Klimawandels, gründete er vor elf Jahren Ecosia – mit Erfolg.

Wer meint, eine gute Idee zu haben, sollte sie zunächst mit anderen Menschen besprechen, sagt Manuela Mohr, Referentin bei der KfW, zuständig für die Online-Akademie. „Der Gründer ist grundsätzlich von seiner Idee überzeugt. Wir empfehlen, mit Mentoren, Freunden und Verwandten zu reden und Feedback einzuholen.“ Außerdem sei fachliches Know-how entscheidend. „Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben. Man braucht Branchenkenntnis, um den Markt einschätzen zu können.“

Christian Kroll brachte sich das Programmieren in Argentinien selbst bei, denn ohne Fachkenntnis geht es nicht. Was fehlte, war Erfahrung im Unternehmensaufbau. Einige Jahre später stieg Tim Schumacher ins Unternehmen ein, ein sogenannter Business-Angel. Er half „wirklich zu verstehen: Was braucht ein Unternehmen? Braucht es mehr Programmierer oder muss man mehr Geld für Marketing ausgeben?“, erklärt Kroll. Sich fehlende Expertise hinzuzuholen empfiehlt auch Mohr von der KfW als einen wichtigen Schritt. Sie sagt über junge Gründer*innen: „Die Idee ist sein ‚Baby‘, da kennt er sich aus. Aber kann er auch Personalkosten kalkulieren; ist er sich bewusst, was das Vorhaben für die gesamte Lebensplanung bedeutet? Diese Seite ist fast noch wichtiger als die Gründungsidee selbst. Scheitert eine Gründung, dann fast immer wegen Schwächen im kaufmännischen Bereich.“

Nicht rechtzeitig Hilfe in Anspruch genommen zu haben, das bezeichnet Kroll heute als seinen größten Fehler im Gründungsprozess und rät: „Sucht euch einen Mentor, einen wirklich guten. Jemanden, der schon mal erfolgreich gegründet hat.“ Heute steht er selbst ausgewählten jungen Firmen zur Seite. Erstberatungen geben die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) und die Handwerkskammer. Beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg (BPW) können Gründer*innen kostenfrei an Seminaren, Workshops und Netzwerkveranstaltungen teilnehmen sowie Preisgelder gewinnen. Mohr rät Interessierten, die Plattform www.gruenderplattform.de zu nutzen. Spe­ziell für Berlin werden Informationen auf www.gruenden-in-berlin.de gebündelt.

Die gesamte Lebensplanung

Eine Unternehmensgründung geht oft mit viel Arbeit und wenig Einkommen einher. Das erlebte auch Kroll. „Am Anfang rentierte sich das Projekt nicht, in den ersten drei bis vier Jahren war es eher ein Hobby. Ich habe meine ganze Zeit reingesteckt, aber kein Geld verdient. Schrittweise sind wir gewachsen, sodass wir Gehälter zahlen konnten.“ Erst seit etwa 2015 sei Ecosia ein Unternehmen, das nicht primär vom persönlichen Einsatz lebe. Mohr von der KfW legt Gründer*innen nahe, sich die Veränderungen durch den Wechsel in die Selbstständigkeit klar zu machen. „Eine Gründung ist ein großer Einschnitt. Man sollte sich bewusst machen, was das Vorhaben für die gesamte Lebensplanung bedeutet: Kinder und Freizeit, bis hin zum Einkommen.“

Warum ist Ecosia erfolgreich? Es geht um Vertrauen, sagt Kroll. Ecosia meine es mit seiner Mission, den Klimawandel zu bekämpfen, wirklich ernst. „Wir verdienen Geld, um Bäume zu pflanzen, und pflanzen nicht Bäume, um Geld zu verdienen. So bekommen wir das Vertrauen unserer Nutzerinnen und Nutzer.“ Den Fokus auf den sozialen Zweck des Unternehmens haben Kroll und Schumacher vor zwei Jahren in der Rechtsform des Unternehmens verankert. Die Möglichkeit eines Exits, des finanziell lohnenden Ausstiegs für die Gründer, ist damit vom Tisch. „Darauf bin ich stolz“, so Kroll, „ein Unternehmen, das nicht verkauft werden kann, aus dem keine Gewinne herausgezogen werden können.“

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