wortwechsel
: Verkehrsminister, Elektro-Mobilität und Homeoffice

Hat Andreas Scheuer das Parlament belogen, und hätte das überhaupt Konsequenzen? Leser:innen stehen Minister Heils Vorschlägen zur Arbeitsentlastung skeptisch gegenüber

Alles Lüge? Foto: Michael Kappeler/dpa

Keine Konsequenzen

„Maut-Betreiber belasten Scheuer schwer“, taz vom 5. 10. 20

Sollte hiermit zweifelsfrei die Verfehlung eines Ministers nachgewiesen werden können? Was folgt? Rücktritt? Ein Strafverfahren, eher nicht, oder es wird nach acht bis zehn Jahren im Sande verlaufen. Parallel hierzu gehören Gesetzesänderungen, welche finanzielle Schäden von, im Gespräch sind: 0,5 Milliarden Euro verhindern.

Es braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie viele neue Schulen davon hätten gebaut werden könnten!

Martin Bosch, Geestland

Weniger Mobilität

„Hoffnungen liegen auf China“,

taz vom 28. 9. 20

Ich verstehe diesen Hype um die Elektromobilität überhaupt nicht. Wo soll das hinführen? Warum klärt man die Menschen nicht auf, dass es völlig illusorisch ist, generalisiert E-Mobilität zu realisieren: wo soll denn der Strom dafür herkommen? Hoffen wir alle auf industriell ausgereifte und ungefährliche Kernfusionsreaktoren? Ist da ein Raumschiff zu uns unterwegs, das uns eine machbare Technologie zur umweltverträglichen Stromerzeugung für alle in unbegrenztem Ausmaß bringt? Nicht „Umstellung auf E-Mobilität für alle“ ist sinnvoll, sondern „weniger Mobilität“. Wann begreifen wir endlich, dass wir nicht so weitermachen können wie die letzten knapp 150 Jahre Industriegesellschaft?

Ralf Hilbert, Berlin

Rein symbolisch

„Auf dem Party-Auge blind“,

taz vom 4. 10. 20

Nach nächtlichen Verkaufsbeschränkungen (wie in München) für Alkohol zu rufen, wie von der Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci gefordert, ist meines Erachtens viel zu kurz gegriffen. Schöner fände ich es, wenn bestehende- Ausbruchsbekämpfungsmaßnahmen/Regeln eingehalten und konsequent durchgesetzt werden könnten. Davon sind wir aber in Berlin meilenweit entfernt: Covid-19-Teststrategie? – Hier ist die Gesundheitssenatorin „abgetaucht“; die Aufgabe wurde schließlich an die Charité outgesourct. Aussteigekarten von aus Risikogebieten rückkehrenden Reisenden? – Werden am Flughafen weder eingesammelt noch auf Stimmigkeit der Angaben überprüft. Akzeptanzstrategie? – Fehlanzeige. Traurig, aber es ist eben „einfacher“, nach schärferen Maßnahmen zu rufen, als seine Hausaufgaben in der Ausbruchsbekämpfung zu machen.

Thomas Kratz, Berlin

Skepsis

„Liegt das Heil im Homeoffice?“,

taz vom 6. 10. 20

Hier erhofft sich Minister Heil etwas Heil im Vorwahlkampf. Die Konflikte, die mit einem verbreiteten Homeoffice auftreten, werden in einer verkürzten Diskussion in den Hintergrund gedrängt.

Ich glaube nicht an die Vorteile von Homeoffice, im Gegenteil: es gibt jetzt schon Konflikte in Teams, Abteilungen, Arbeitsgruppen. Viele ArbeitnehmerInnen ohne Kinder haben das Homeoffice genutzt. Deswegen glaube ich auch nicht, dass die Frauen/Mütter so blöde sind, ihre Doppelbelastung mit Heimarbeit auf die Spitze zu treiben.

Hinsichtlich Corona bin ich der Ansicht, dass diejenigen, die Schutz im Home­office suchen und finden, denen, die die Organisation, Präsenz und Dienstleistungen sichern und ein höheres Risiko haben, etwas abgeben sollten: Geld oder Urlaubstage. Und das will natürlich auch niemand. Aber die Spaltung ist da.

Jeannette Kassin, Hamburg

Raus aus der Blase

„Mit Heinz im Lostopfl“,

taz vom 1. 10. 20

Wer sich aus Sorge um die Zukunft unseres Planeten einen Bürger*innenrat für Klimapolitik wünscht, muss zum Beispiel damit rechnen, dass in einem solchen Rat auch SUV-Fahrer*innen oder Kohlekumpel sitzen.

Angenehmere Gespräche erlebt man als Klima-Aktivist*in vermutlich bei einer Fridays-for-Future-Demo oder beim veganen Brunch im Bio-Café. Ich habe allerdings meine Zweifel, dass Klima-Aktivist*innen die Erderwärmung allein aus ihrer Blase heraus stoppen können.

Denn was Mohamed Amjahid unter den Tisch fallen lässt: Heinz aus Süd-Neukölln, Alice Schwarzer und all die anderen ­Menschen, die nicht sein Weltbild teilen, prägen unsere Gesellschaft auch dann, wenn sie nicht in Bürger*innenräten vertreten sind.

Wir leben in einer Demokratie, aus der man Menschen nicht aufgrund ihrer Meinung aussperren kann und in der Entscheidungen angesichts einer Vielfalt an Werten und Interessen grundsätzlich Kompromisse sind. Natürlich ist das, was die Bundesregierung uns aktuell als Kompromiss in der Klimapolitik verkauft, vollkommen unzureichend.

Geben wir den Menschen in Deutschland doch die Möglichkeit, sich durch einen Bürger*innenrat ebenfalls in die Klimapolitik (und in andere Politikfelder) einzubringen. Zu verlieren haben wir angesichts des Zauderns der Bundesregierung bei zentralen Zukunftsfragen wenig. Zu gewinnen allerdings viel – nicht zuletzt ein besseres Gesprächsklima und mehr Mut zu gesellschaftlichem Wandel.

Miriam Beulting, Münster

Homöopathische Dosis

„Liegt das Heil im Homeoffice?“,

taz vom 6. 10. 20

Je nach Arbeitsplatz und Familiensituation kann Homeoffice wirklich super oder schlimm sein. Mit seinem Vorschlag für ein Recht auf Homeoffice versucht Arbeitsminister Heil daran zu erinnern, dass er Mitglied der Bundesregierung ist. Ein Recht auf zwei Tage pro Monat klingt eher nach einem Globulus für alle, für die Homeoffice passt. Zwei Tage, welche jeder vernünftige Arbeitgeber abnicken würde. Arbeitgeber, welche nicht vernünftig handeln, wegen dieser zwei Tage per Gerichtsurteil zu zwingen, ist in aller Regel sicher kontraproduktiv. Wenn Heil Arbeitnehmern helfen möchte, was sollen dann diese zwei Tage pro Monat?

Alfred Nicklaus, Stuttgart

Super-Verbreiter

„Wenn sich Lügen rächen“,

taz vom 4. 10. 20

Als der 45. Präsident tönte, er könne auf der Fifth Avenue stehen und einen Menschen erschießen, das würde ihn keine Wähler kosten, hatte er nicht im Auge, dass von ihm vielleicht eine ganz andere Gefahr ausgeht. Die Streuung von Gerüchten und alternativen Fakten hat seine Glaubwürdigkeit in der Covid-19-Pandemie total unterminiert. Seine Spritztouren am Hospital könnten andere gefährden, leise und tödlich, ohne Patronen. Er war, ist und bleibt unberechenbar, geht erneut irre viral. In jedem Fall ein Risiko und potenzieller Spreader, der wohl mächtigste Mann der westlichen Welt. Lack und Teflon-Schicht sind schwer beschädigt. Ein ganzes Volk hat nun die Wahl am 3. November, vielleicht akut sensibilisiert.

Martin Rees, Dortmund

Schmaler Grat

„Seehofers Dunkelfeld“,

taz vom 6. 10. 20

Hoffen wir mal, dass die 99 Prozent unserer Beamten in den Sicherheitsbehörden aus Seehofers Dunkelfeld nicht auch das Grundgesetz mit Füßen treten. Denn das liegt doch nahe, wenn man allein die nicht endende grauenhafte Geschichte des Oury Jalloh in Mitteldeutschland betrachtet, wo bekannte Polizisten in einer entsprechend berüchtigten Wache nach Verbrennen eines Schutzbedürftigen trotz aller entsprechenden Gutachten unter dem Schutz von Staatsanwaltschaften weitermachen können bis zur Pensionierung. Es ist eben sicher immer wieder mal ein schmaler Grat, auf dem Sicherheitskräfte gehen müssen, vor sich selber, vor der wacher werdenden Gesellschaft, vor dem Recht – und das konsequent.

Ernst-Friedrich Harmsen, Berlin