piwik no script img

Spaßfaktor XXL

Bei den Mighty Moles spielen Menschen mit Übergewicht Fußball. Anderswo erleben sie Diskriminierung, deshalb haben sie ein Team gegründet. Ein Trainingsbesuch in Kiel

Unterstützen sich gegenseitig: Mighty Moles Foto: Lena Toschke

Von Lena Toschke

Es sind die kleinen Dinge, von denen andere Sportler*innen gar keine Ahnung haben, dass sie ein Problem sein können: Passende Sportkleidung zu bekommen zum Beispiel. Die Mighty Moles aus Kiel laufen mittlerweile recht professionell in gelben und schwarzen Trikots auf, ihr Logo, ein kleiner, grinsender Maulwurf mit rotem Cape, auf dem Arm. Ein Schwager von irgendwem in der Mannschaft hat sie besorgt. In den üblichen Sportgeschäften gab es sie nicht – wegen der Größe.

„Darüber macht man sich als normalgewichtiger Mensch keine Gedanken“, sagt Martina Aders und blickt auf das Spielfeld. Ihre Teamkolleg*innen sind gerade in Jubel ausgebrochen, weil eine Spielerin ein Tor geschossen hat.

Aders, die am Rand des Nordmark-Sportfeldes in Kiel steht, ist Mitbegründerin der Mighty Moles, einem Team aus 27 Frauen und Männern unterschiedlichen Alters. Einzige Aufnahmekriterien: Fußballbegeisterung und Übergewicht.

Sie spielen zusammen, weil sie alle einen ähnlichen Fitnessgrad haben, sich gut verstehen und es okay ist, wenn sie zwischendurch mal kurz Pause machen. „Der Teamgedanke ist das Wichtigste, das Sportliche kommt an zweiter Stelle“, sagt Aders, die nicht mittrainieren kann, weil sie verletzt ist – allerdings nicht vom Fußball.

Viele wurden ausgegrenzt

„Als dicker Mensch hat man es oft nicht leicht, man wird gemobbt und ausgegrenzt.“ Daher sei es für viele wichtig, ein Team zu haben, das sie aufbaue und unterstütze. „Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass man Diskriminierung in der Kindheit und Jugend häufig nicht mit Humor nehmen kann“, sagt Aders. Heute sei ihre Strategie Selbstironie. „Wenn man über sich selbst lachen kann, sind alle anderen drumherum oft ganz peinlich berührt.“

Das Team gibt es seit einem Dreivierteljahr und der Kader wächst, genauso wie die mediale Aufmerksamkeit. „Man kann die Idee nicht breit genug streuen“, sagt Aders. „Wir möchten so viele Leute wie möglich für unseren Sport begeistern.“

In England gebe es bereits eine eigene Liga für übergewichtige Menschen. Auch die Mighty Moles hatten schon richtige Spiele, gegen Damen- und Altherrenmannschaften – und so richtig mithalten konnten sie nicht. „Wir wünschen uns, dass sich mehr Mannschaften wie diese bilden, sodass wir auch gegeneinander antreten können“, sagt Olaf Aders.

Doch auch wenn das sportliche Niveau nicht so hoch ist, ist es Martina Aders wichtig, etwas klarzustellen: „Wir sind keine Kuscheltruppe, sondern trainieren so wie andere auch, mit Technik, Taktik und allem, was dazugehört.“

Kurze Pause, dann weiter

Vom Spielfeld sind nur vereinzelt Rufe zu hören. Niemand grölt hier herum. Auch Aders nicht, die neben der Seitenlinie auf einem Campingstuhl sitzt. Stattdessen pflegen die „Mighty Moles“ ein gleichberechtigtes, respektvolles Miteinander. Gerade geht ein Spieler vom Platz, um kurz zu verschnaufen. „In einer anderen Fußballmannschaft hätte man sich jetzt vielleicht runtergemacht“, sagt Olaf Aders. Hier baue man sich gegenseitig wieder auf.

Auf ihrer Webseite schreiben die Mighty Moles: „Wir wünschen uns, dass sich noch viele weitere Menschen überwinden, trotz ihres Gewichts sich einer Fußballmannschaft wie unserer anzuschließen.“

Auf die Frage, was sie von der Formulierung „Fußball trotz Übergewicht“ halten, folgt eine kurze Nachdenkpause. Olaf Aders sagt: „Na ja, eigentlich spielen wir ja wegen des Übergewichts.“ Doch seine Frau räumt ein: „Das Übergewicht ist natürlich schon eine Einschränkung, klar.“

Ähnlich sieht das auch Co-Trainer Max Tacke: „Es ist schon eine Herausforderung, das Training so zu gestalten, dass sich keiner abgehängt fühlt.“ Und Trainer Ludwig Höltig bringt es noch einmal auf den Punkt: „Die positive Atmosphäre ist wichtig, denn am Ende geht es darum, dass die Leute Spaß haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen