: Ein sehr teures Los für Feierabendfußballer
Die erste DFB-Pokalrunde verspricht wenig Flair. Elf Amateurklubs haben wegen der Corona-Auflagen ihr Heimrecht an die Profis abgetreten
Von Frank Hellmann
Am Freitag in aller Herrgottsfrühe steigen 52 Personen in Bremen-Oberneuland in einen sogenannten Event-Liner, um eine ganz ungewöhnliche Reise zu einem DFB-Pokalspiel zu unternehmen. Ein Partybus mit Doppelstockwerk bringt die Delegation des Fußball-Viertligisten FC Oberneuland zur Erstrundenpartie bei Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr). Alle Insassen seien, sagt der 2. Vorsitzende Uwe Piehl, zu diesem Zeitpunkt das vierte Mal auf Corona getestet worden.
Die knapp vierstündige Bustour über knapp 350 Kilometer hätte sich der Aufsteiger in die zweigeteilte Regionalliga Nord gern erspart. „Es ist die Vernunft“, erklärt Piehl, die dazu geführt habe, das Heimrecht an den Champions-League-Teilnehmer abzutreten. Der Vereinsfunktionär sagt, die Hygienekonzeptanforderungen wären vom Aufwand her auf dem autobahnnahen Sportplatz, der normalerweise 5.000 Zuschauern Platz bietet, nicht umsetzbar gewesen.
Dass damit das Flair verschwindet, das diese Pokalspiele auszeichnet, ist die Kehrseite der Medaille. Immerhin gibt es ein Trostpflaster: Als Piehl und sein Vorstandskollege Birger Winkelvoss mit der Gladbacher Klubführung den organisatorischen Rahmen besprach, kam die Idee auf, zu einem späteren Zeitpunkt ein Freundschaftsspiel zu vereinbaren. Inzwischen steht der Vertrag.
Der DFB kennt das Dilemma. Im Vorjahr hat der Wettbewerb allen Erstrundenteilnehmern 175.000 Euro Garantieeinnahme eingebracht. Nun kommt ein Zuschuss von 30.000 Euro dazu für alle Klubs ab der 3. Liga abwärts für die Umsetzung der Hygieneregeln – Testreihen für Spieler und Verantwortliche eingeschlossen. Gleichwohl haben elf Regional- und Oberligisten ihren Heimvorteil wegen organisatorischer und finanzieller Überforderung abgetreten.
So spielt Eintracht Norderstedt in Leverkusen, FV Engers in Bochum, MTV Eintracht Celle in Augsburg, der 1. FC Schweinfurt auf Schalke, die VSG Altglienicke in Köln, der TSC Havelse in Mainz oder der FSV Union Fürstenwalde in Wolfsburg. Geisterspiele, bei denen gähnende Langeweile droht. „Natürlich fehlt in dieser Saison durch den teilweisen Verzicht auf Zuschauer und Tausch der Heimspielstätte ein Teil dieses besonderen Reizes“, gesteht DFB-Vizepräsident Peter Frymuth. Aber: „Wir sind froh, dass wir den Wettbewerb in dieser speziellen Situation trotzdem durchführen können.“
Der DFB stand unter Handlungsdruck. Der DFB-Pokal spülte 2019 stolze 96 Millionen Euro in die Kassen, und auch wenn 85 Millionen an die Klubs wieder ausgeschüttet wurden, blieb beim Verband ein satter zweistelliger Millionenbetrag hängen.
Nicht mal der Mittelrhein-Sieger 1. FC Düren, der mit dem FC Bayern das größte Los gezogen hat, nutzt seinen Heimvorteil. Stattdessen kommt es am 15. Oktober zum Gastspiel in der Münchner Arena. Immerhin acht unterklassige Vereine wollen sich den Festtag nicht verderben lassen. Beim Oberligisten SV Todesfelde aus einem 1.000-Einwohner-Ort bei Bad Segeberg in Schleswig-Holstein sorgen 25 Ehrenamtliche für die Austragung der Begegnung am Samstag gegen den Zweitligisten VfL Osnabrück. „So einen Tag kannst du für Geld nicht kaufen. Das ist Herzblut, das ist Erinnerung und Identifikation mit der Region, Das, was bleibt, ist ja viel mehr als Geld“, beteuert Vereinschef Holger Böhm. 50.000 Euro wird der SV Todesfelde am Ende für das Heimspiel drauflegen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen