piwik no script img

Osman Engin Die Corona-ChronikenHänsel-Ali und Corona-Gretel

privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Hänsel-Ali und Corona-Gretel durften nicht aus dem Haus, weil in der Türkei wegen Corona Ausgangssperre für Jugendliche angesagt war.

„Weißt du was, Mann, Gretel hat Corona“, sagte die Stiefmutter. „Lass uns deine Kinder nach Germanistan abschieben, bevor sie uns hier alle anstecken! Frau Merkel gibt denen dort sogar Geld. Er ist nicht so geizig wie Erdogan.“

Am nächsten Morgen sagte die Stiefmutter: „Ihr fahrt jetzt mit diesem Traktor nach Germanistan. Abends holen wir euch ab. Macht euch keine Sorgen, da gibt’s jede Menge von eurer Sorte.“

Die Kinder bekamen nicht mal Knäckebrot zum Krümeln, deshalb holte Corona-Gretel ihre Vitamin-C-Brausetabletten aus der Tasche, zerbröckelte sie und warf ein Bröcklein nach dem anderen auf die Erde.

Der erste Abend in Germanistan verging, aber niemand kam zu den armen Kindern.

„Hänsel-Ali, wart’ nur, bis die Sonne aufgeht“, sagte Corona-Gretel. „Dann werden wir die Vitamin-C-Bröcklein sehen, die zeigen uns den Weg nach Hause.“

Aber als es hell wurde, fand sie kein Bröcklein mehr, denn in Germanistan regnete es andauernd, und türkische Brausetabletten hatten die blöde Angewohnheit, sich auf der Stelle aufzulösen und zu verduften, wenn sie Wasser bekamen.

Da sahen sie zum Glück ein Häuslein aus eitel Brot, das mit feinstem Kuchen gedeckt war. Corona-Gretel brach sofort ein großes Stück ab. „Bäh! Das schmeckt scheußlich!“, schimpfte sie.

„Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“, rief eine alte Hexe. „Der Wind, der Wind, das kotzende Kind!“, schrie Hänsel-Ali. Ihm wurde es auch übel.

„Du Döner oder Köfte?“, fragte die alte Hexe, während ihr das Wasser im Mund zusammenlief. „Du, Schwesterchen, die nette Hexe will wissen, ob wir Döner oder Köfte essen wollen“, freute sich Hänsel-Ali wie Rumpelstilzchen.

Die Enttäuschung kurze Zeit später war riesengroß, als die Hexe mit zwei leeren, nagelneuen Dönerspießen ankam. „Die böse Hexe will uns aufspießen und braten“, heulte Hänsel-Ali. „Schwesterchen, du weißt doch, dass ich starke Hitzeallergie habe! Das überlebe ich nicht!“

„Brüderchen, gut, dass du mich daran erinnerst“, lachte die Schwester. „Meine Coronaviren überleben die starke Hitze ja auch nicht. Ich muss die alte Hexe jetzt anstecken, bevor sie uns knusprig gebraten und mit Knoblauchsoße übergossen hat.“ Und sie hustete der bösen Hexe dreimal kräftig ins Gesicht. Die fiel um, wie ein gefällter Baum.

„Wenn jemand eine Reise tut, so sollte er immer ein bisschen Corona dabei haben“, freute sich Corona-Gretel wie ein Kind.

So, liebe Kinder, ist es nicht mega-gut,

dass der David-19 euch nichts tut?

Alles im Leben hat einen Sinn,

selbst die blöden Coronaviren!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen