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Ruhen unter Baumwipfeln

Vom Wunsch, im Einklang mit der Natur bestattet zu werden

Hanna Kühle (Name geändert) findet die Vorstellung, nach ihrem Tod unter einer Baumwurzel zu liegen, umgeben von zwitschernden Vögeln, raschelnden Blättern und moosig duftender Waldluft, ganz wunderbar. Deshalb hat sich die 82-Jährige im Bestattungswald ihres pfälzischen Wohnortes bereits einen Baum ausgesucht. „Es gibt ein großes Interesse, seitdem die Gemeinde den FriedWald eingerichtet hat“, erzählt die Naturliebhaberin.

In den letzten Jahren hat sich die Bestattungskultur erheblich gewandelt. Die Nachfrage nach Alternativen zum klassischen Friedhof ist deutlich gestiegen. Laut einer ­Emnid-Umfrage kann sich bereits jeder Dritte vorstellen, an einem anderen Ort bestattet zu werden, 2010 war es nur jeder Vierte. Woran liegt das? „Traditionen verändern sich, das Leben wird pluraler und die Lebensentwürfe verschiedener. Die Individualität spiegelt sich dann auch bei der Bestattung wider“, erklärt Alexander Helbach von der Verbraucherini­tia­tive Aeternitas diese Entwicklung. Früher war klar: Wer stirbt, kommt auf den Friedhof, ob im Sarg oder in einer Urne. Heute drückt sich ein individuell geführtes Leben auch in dem Wunsch nach einer Bestattung aus, die dem eigenen Charakter und Vorstellungen entspricht.

Zunehmend spielt der Umweltgedanke bei der Entscheidung für eine Naturbestattung eine Rolle. Naturverbundene Menschen wollen nicht nur Gutes tun, etwa indem sie Umweltakteure mit ihrem Erbe unterstützen. Auch im Einklang mit der Natur bestattet zu werden, mit Särgen und Urnen aus umweltverträglichen Materialien, ist ihnen ein wichtiges Anliegen. Um das Waldgebiet nicht zu belasten, ruht die Asche Verstorbener im FriedWald und RuheForst in biologisch abbaubaren Urnen an den Wurzeln von Bäumen. Zur Wahl stehen – je nach Geldbeutel – spezielle Familienbäume, Plätze unter ausgesuchten Gemeinschaftsbäumen oder auch die Reservierung sogenannter Basisplätze, bei denen der Baum nicht ausgesucht werden kann. Eine stille Beisetzung ist genauso möglich wie eine klassische Ansprache mit Gebeten durch einen Pfarrer oder Trauerredner. Eine Bestattung im Wald oder an befriedeten Bäumen ist im FriedWald und im RuheForst möglich, für die ein Teil eines klassischen Waldgebietes in einen Bestattungswald umgewidmet wurde. Im RuheForst finden sich neben Bäumen als letzte Ruhestätte auch sogenannte RuheBiotope. Dies können andere Naturdenkmäler wie Sträucher, Steine oder Findlinge sein, um die herum Urnen beigesetzt werden können.

Die Natur soll bei einer Waldbestattung möglichst unberührt bleiben, weshalb eine Gestaltung der Grabstätte durch Blumen, Grabstein und Grabschmuck im Vergleich zum Friedhof nicht möglich ist. Die Grabpflege übernimmt dann die Natur. Die Kennzeichnung der ­Grabstätten erfolgt üblicherweise durch eine kleine Plakette am Baum und kann für Familie und Freunde ein Ort des Denkens und der Erinnerung sein. Für Hanna Kühle aber findet letztlich „die Erinnerung an einen lieben Menschen innerlich statt und ist nicht orts­gebunden“. Anja Karrasch