: Preisausschreiben mal andersherum: stimmt so
Freiwillig faire Entlohnung: Beim Kaffee „Colombian Specialty“ von El Puente können die Kundinnen und Kunden selbst über den Preis bestimmen
Der meiste nach Europa importierte Kaffee ist Rohkaffee, die Verarbeitung der Bohnen findet im Globalen Norden statt. Anders beim Biokaffee der kolumbianischen Kooperative – nach der Ernte rösten und verpacken die Kleinbäuer*innen ihren Kaffee selbst. „Früher haben wie den Rohkaffee von dort bezogen“, berichtet Anna-Maria Ritgen von El Puente. Der heute fertig verpackte Kaffee aus den Bergen Sierra Nevada de Santa Marta findet per Schiff seinen Weg über Hamburg ins El-Puente-Lager. Rund zwei Monate vergehen zwischen Ernte und Anlieferung in Deutschland.
Durch den Verkauf des schon konsumfertigen Kaffees im Vergleich zum Handel mit den Bohnen verdienen die Bäuer*innen laut El Puente fast das Dreifache. Ein größerer Teil der Wertschöpfung geht an die Kooperative. Eine Gegenüberstellung von El Puente zeigt: Für 250 Gramm Kaffee erhalten die Bäuer*innen bei eigener Röstung 3,39 Euro im Vergleich zu 1,24 Euro bei Röstung in Deutschland.
Die Kund*innen im Onlineshop von El Puente bestimmen selbst, wie viel sie für ein 250-Gramm-Päckchen Kaffee zahlen wollen. Mit diesem ungewöhnlichen Verkaufsmodell geht El Puente neue Wege. Ritgen weiß von keinem anderen Produkt im Fair-Trade-Bereich, das so vermarktet wird. Worum geht es bei der Option, den Preis selbst zu wählen? Fair-Trade-Unternehmen verknüpfen den Handel oft mit einem Bildungsauftrag. Die Konsument*innen sollen sich mit der Herkunft der Lebensmittel und Produkte beschäftigen. „Viele Menschen haben den Bezug dazu verloren“, sagt Ritgen. Man wolle „die Leute darauf aufmerksam machen: Was deckt der Preis eigentlich ab? Was steht hinter einem Projekt? Welche Arbeitsschritte müssen vollzogen werden?“
Im Onlineshop von El Puente kann ein Schieberegler über die Seite bewegt werden: Zwischen 2,90 und 8,90 Euro liegt der mögliche Preis für 250 Gramm Kaffee. Wer 2,90 Euro auswählt, erfährt: Dieser Preis deckt nur die Kosten der Kleinbäuer*innen ab, für Export, Steuern und die Löhne der deutschen Arbeitnehmer*innen müsste mehr hinzukommen. 5,90 Euro sind der empfohlene Mindestpreis. Und der wird im Durchschnitt auch gezahlt, sagt Ritgen. „Der Durchschnitt liegt bei 6 Euro.“
Ganz gelassen war man vor der Einführung nicht beim Fair-Trade-Unternehmen El Puente. „Ein bisschen Sorge hatten wir schon. Wir sind positiv überrascht, aber wir kennen natürlich unsere Kundschaft.“ Das zusätzliche Geld gehe direkt an die Kooperative, sagt Ritgen. Die seien offen für die experimentelle Preisgestaltung gewesen. „Ihnen ist es auch ein Bedürfnis darzustellen, was hinter dem Produkt steht.“ Ein Ende des Projekts ist bisher nicht geplant.
Rund 400 Bauernfamilien aus sieben Regionen gehören zur Kooperative Red Ecolsierra, sagt Ritgen. Sie erzählt von Mischkulturen und Ernte durch Handarbeit. Und davon, dass die Planbarkeit der Handelsbeziehung wichtig für die Bäuer*innen vor Ort sei. „Wir haben sehr langfristige Partnerschaften auf Augenhöhe.“ Ein Video von El Puente zeigt schroffe Bergkuppen, bewachsen mit Kaffeebäumen, Hände, die Kaffeekirschen pflücken, und die Weiterverarbeitung in der Röstmaschine. Es heißt, die Produktion vor Ort sichere wichtige Arbeitsplätze. Victor E. Cordero Ardila ist als Geschäftsführer zu sehen, und er sagt: „Der Hauptgrund für die Gründung der Kooperative war, etwas gegen die niedrigen derzeitigen Kaffeepreise zu tun.“ Diese Preise würden sich von den heutigen im konventionellen Handel nicht sonderlich unterscheiden.
Die Situation der Kooperativen verändert sich auch in Kolumbien. Der Klimawandel sei ein Problem, sagt Ritgen. Viele Kaffeebäuer*innen seien betroffen. „Sie merken die Trockenheit und die plötzlichen starken Regenfälle. Viele sagen, sie müssten ins höhere Hochland – dort aber ist der Platz beschränkt.“ Die Coronapandemie kommt als Erschwernis hinzu. Die Büroarbeit von Red Ecolsierra sei vielfach ins Homeoffice verlagert. Berater*innen könnten die Felder nur eingeschränkt besuchen, wodurch Ernteausfälle im nächsten Jahr drohten, berichtet Ritgen. In ländlichen Regionen fehle staatliche Unterstützung bei der Versorgung mit Lebensmitteln und dem Infektionsschutz. Die Kooperative unterstütze die Familien mit Essen, Schutzausrüstung und Hygieneprodukten. Helke Diers
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