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Grüne wollen Atommüll

Die Deponie Niemark bei Lübeck muss möglicherweise AKW-Schrott aus dem Kraftwerk Brunsbüttel aufnehmen – die Grünen vor Ort wollen Verantwortung übernehmen

Bald nur noch ein Haufen zu entsorgender Schutt: Atomkraftwerk Brunsbüttel Foto: Christian Charisius/dpa

Von Friederike Grabitz

Eine ungewöhnliche Konstellation hat es im letzten November in der Lübecker Bürgerschaft gegeben: Die Große Koalition aus SPD und CDU sprach sich gegen Atommüll aus, die Grünen votierten dafür. Dabei hatten sie noch im Januar 2019 die Schließung der Deponie gefordert, um die es in der Debatte ging. Denn sie diskutierten, ob die Stadt AKW-Schrott aus den vier norddeutschen Kraftwerken aufnehmen soll, von denen das letzte 2022 vom Netz gehen wird.

Hintergrund der Debatte, an deren Ende die Atommüll-Gegner sich durchsetzten, ist der Rückbau der Kraftwerke nach dem Atomausstieg. Was geschieht mit dem Müll, der nicht als hoch radioaktiv eingestuft wird? Es ist der Löwenanteil, 95 Prozent des Strahlenmülls.

Dieser Müll soll nach der geltenden Strahlenschutzverordnung in den Atomkraftwerken containerweise „freigemessen“ werden. Liegt die Strahlenbelastung bei unter zehn Mikrosievert (10 μSv), darf er deponiert werden – und zwar mit dem normalen Hausmüll in den Kommunen.

Dass die Städte sich nicht um den leicht strahlenden Müll reißen werden, war keine Überraschung. Lübeck ist nun die erste Stadt, die den Müll gegen ihren Willen vom Ministerium zugewiesen bekommen könnte: Das Kieler Umweltministerium hat am Mittwochmorgen beschlossen, dass der Standort Niemark in Lübeck für die Verbringung von 250 Tonnen leicht radioaktivem Schrott aus dem AKW Brunsbüttel geprüft wird.

„Ein Dammbruch“, fürchtet Angela Wolff, Campaignerin der Organisation „Ausgestrahlt“ und der BI Harrislee. „Wir rechnen damit, dass davon noch andere Deponien betroffen sein werden.“ Es sei eine „Bankrotterklärung, dass ein grün geführtes Ministerium auch gegen die Meinung der Bürgerschaft und des deutschen Ärztetages so etwas beschließt“.

Letzterer hatte 2017 bekannt gegeben, dass die Deponierung von leicht radioaktivem Material aus medizinischer Sicht nicht zu empfehlen sei. Die Entscheidung, das trotzdem zuzulassen, sei von der Industrie inspiriert: „Das soll billig werden.“

Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sagt, „Gefahren und Risiken für die Gesundheit können ausgeschlossen werden“, da die Grenzwerte unter der durchschnittlichen Belastung der Umwelt lägen.

„Gefahren für die Gesundheit können ausgeschlossen werden“

Jan Philipp Albrecht, Minister

Etwas delikat ist, wie die Entscheidung zustande kam. Die Lübecker Bürgerschaft hatte eine mögliche Aufnahme von AKW-Schrott zwar abgelehnt. „Kommunalpolitische Beschlüsse haben jedoch in Bezug auf die Zuweisung keine Wirkung“, sagte Ministeriumssprecher Patrick Tiede. Mit anderen Worten: Die Kommunen müssen nicht beteiligt werden.

Immerhin habe es Gespräche mit den Kraftwerksbetreibern, Abfallwirtschaftsgesellschaften und Deponien gegeben, die aber zu keinem Ergebnis geführt hätten. „Die Zeit drängt“, heißt es aus dem Ministerium. „Insbesondere am Kernkraftwerk Brunsbüttel muss Material im Zuge des begonnenen Rückbaus entsorgt werden.“

Für die Stadt sei es „nachvollziehbar, dass das Land Schleswig-Holstein das Problem lösen muss“, sagt Stadtsprecher Hansjörg Wittern, „aber keinesfalls nur auf dem Boden der Hansestadt Lübeck“.

Campaignerin Wolff kritisiert, dass der AKW-Schrott überhaupt an die Kommunen gehen soll. Sie schlägt vor, ein französisches Modell zu prüfen: Eine Sondermülldeponie für leicht strahlende Abfälle unter Aufsicht der Atombehörde. „Das Thema gehört in die Bundespolitik“, findet sie.

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