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Archiv-Artikel

„Keine Berührungsängste“

SPD UND LINKE Bürgermeister Jens Böhrnsen spricht sich gegen die Rente mit 67 aus. Zugleich üben SPD und Linke in Bremen vorsichtig die Annäherung

Rente mit 67

Nach der verlorenen Bundestagswahl ist in der SPD eine Debatte um die Rente mit 67 entbrannt.

■ 2005 hatten SPD und Union vereinbart, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben.

■ Das SPD-Wahlprogramm bekennt sich noch dazu. „Wir werden die prinzipielle Entscheidung für die Rente mit 67 nicht zurückdrehen dürfen“, sagte Frank-Walter Steinmeier, als er Kanzlerkandidat war. „Auch mit Blick auf die vielen jungen Menschen wäre das keine faire Entscheidung.“

■ Die Linke spricht sich für einen flexiblen Renteneintritt aus. (taz)

Auf große Zustimmung in der Linkspartei ist die Kritik von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) an der Rente mit 67 gestoßen. Der hatte nach dem Wahldesaster der SPD heftige Kritik geübt – und auch eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht generell ausgeschlossen.

Bei ErzieherInnen, WerftarbeiterInnen oder StahlkocherInnen sei die Rente mit 67 „schlicht Rentenkürzung“, sagte Böhrnsen am Dienstag der Internetausgabe der Süddeutschen Zeitung. Da sie das Vertrauen vieler StammwählerInnen verloren habe, müsse die SPD nun „inhaltlich Tacheles“ reden.

Aus dieser Erkenntnis müssten jetzt aber auch die richtigen Taten folgen, sagte dazu der Vorsitzende der bremischen Linksfraktion, Peter Erlanson. Jedoch sprachen sich Arbeitsmarktexperten dafür aus, an der Rente mit 67 festzuhalten. Es sei „unabdingbar, eine alternde Erwerbsbevölkerung auf eine längere Lebensarbeitszeit vorzubereiten“, erklärten die Direktoren des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, Joachim Möller und Ulrich Walwei.

Böhrnsens Vorstoß deckt sich mit dem seines Berliner Kollegen Klaus Wowereit. Auch der hatte bei der Rente mit 67 „ein Umdenken“ in der Partei verlangt – und gefordert, die SPD müsse ihr Verhältnis zur Linkspartei ändern. Neben den Hartz IV-Gesetzen gilt die Rente mit 67 als wesentliches Hindernis für eine Zusammenarbeit. Er habe „keine Berührungsängste“ mit den Linken, bekannte nun Böhrnsen.

Böhrnsen rückte – ebenso wie der SPD-Spitzenkandidat Carsten Sieling – von der großen Koalition ab, wie sie im Wahlkampf Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) noch propagierte. Sieling sagte, er halte es für „weniger klug“, jetzt zu versuchen, über große Koalitionen auf Länderebene „einen Fuß in der Tür“ zu behalten. Die SPD könnte in Thüringen, Brandenburg und dem Saarland, wo sie die Koalitionsentscheidung bis zum 27. September offen hielt, das Bündnis mit der Linkspartei suchen.

Für Bremen geht Böhrnsen davon aus, dass er auch bei der kommenden Bürgerschaftswahl 2011 zusammen mit den Grünen eine Mehrheit bekommt. Gleichwohl gibt es bei der Linken Stimmen, die dafür werben, auf die SPD zuzugehen. Die Debatte über die strategische Ausrichtung der Linkspartei, losgetreten vom Abgeordneten Klaus-Rainer Rupp, konnten zuletzt nur mit Mühe unter der Decke gehalten werden. Immerhin hatten die Linksabgeordneten schon mal – versehentlich – dem Haushaltsentwurf von Rot-Grün zugestimmt. Jan Zier