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Archiv-Artikel

Signal der Integration

Die Höchststrafe für den Mörder des Regisseurs Theo van Gogh ist auch ein Signal in die muslimischen Communities Europas: Sie werden vor religiösen Fanatikern und islamistischen Terroristen geschützt

VON JAN FEDDERSEN

Den Amsterdamer Richtern blieb keine Wahl, und das nicht nur, weil die niederländische Öffentlichkeit einen milderen Urteilsspruch nicht verstanden hätte. Aber der Angeklagte, der 27-jährige Niederländer Mohammed Bouyeri, Spross marokkanischer Einwanderer, gestand nicht nur freimütig, am 2. November vorigen Jahres den Regisseur Theo van Gogh coram publico in Amsterdam mit Messerstichen ermordet zu haben, nein, er fügte auch noch während der Verhandlung an, nichts zu bereuen, mehr noch, seine Tat jederzeit wiederholen zu wollen, hätte er die Gelegenheit dazu. So beschloss die Kammer gegen ihn eine lebenslängliche Haftstrafe – was wörtlich zu nehmen sei. Bouyeri dürfe nicht vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden, er stelle eben wegen der angekündigten Wiederholungsmöglichkeit eine akute Gefahr für die Öffentlichkeit dar.

Für linksliberale Beobachter mag sich das Urteil hart ausnehmen, für Menschen also, die selbst im entschlusskräftigsten Terror noch ein verhüllt wie verkannt Legitimes erkennen. Die Amsterdamer Richter indes nahmen den Angeklagten beim Wort – also bei dessen unbedrängt formuliertem Vorsatz.

Zeichen des Schutzes

Eine andere Gruppe freilich in den Niederlanden ist mit dem Richterspruch hoch zufrieden: das Gros der muslimischen Communities. Viele von ihnen empfinden das Urteil als Zeichen des Schutzes – zu ihren Gunsten. Gerade weil sie gewohnt sind, das alt- und neuväterlich schroffe Lied von der Gesellschaft der Ungläubigen zu hören, in der man leben müsse.

Ein Signal des Schutzes vor religiösen Fanatikern im Namen des Islam vor der „mörderischen Frömmigkeit“ (so der Schriftsteller Leon de Winter) jener Muslime, die sich vom westlichen Lebensstil überfordert fühlten und sich auf Anmutungen einließen und einlassen, die auf Tod und Verderben setzen, umrissen durch ein manichäisches Weltbild, aufgeteilt in Gut und Böse, zerrissen zwischen Frömmigkeit und Sünde.

Die Mehrzahl der muslimischen Niederländer (wie der meisten muslimischen Europäer) fühlen sich durch das Amsterdamer Urteil unterstützt und, gänzlich staatsbürgerlich, nicht folklorisiert durch eine multikulturelle Relativierung gesellschaftlicher Normen, zutiefst ernst genommen: Bestraft wurde ein Einpeitscher. Einer, dessen Tat, pragmatisch gesehen und völlig unabhängig von möglicherweise tiefenpsychologischen Motiven, nichts, gar nichts zur Integration der muslimischen Niederländer und muslimischen Einwanderer beitragen kann.

Denn das ist ja die Realität in den Niederlanden wie in den anderen wohlhabenden westlichen Gesellschaften, auch der unsrigen: Die Majorität der Migranten möchte deshalb in ihnen leben, weil hier, anders als in ihren Herkunftsländern, die Chancen auf materielle wie moralische Teilhabe günstig sind wie nirgendwo sonst – einschließlich einer berechenbaren Justiz, inklusive aller bürgerlichen Rechte, die in ihren Ursprungsheimaten nicht vorhanden sind: die auf Meinungsfreiheit und die auf Individualität, also Schutz des Einzelnen vor der Gemeinschaft. Gesellschaften liberaler Prägung, die ihren Mitgliedern nicht besonders viel abverlangen – vor allem keinen gottesstaatlichen Eifer.

Gerade die Profiteure des westlich-liberalen Modells, also auch ihre muslimischen BürgerInnen, empfinden den entschlossenen, von sozialpädagogischen Allüren freien Richterspruch als Befreiung von Platzhirschen in ihren Communities. Von Männern, die im Namen eines religiösen Weges den Glauben an einen, an ihren Gott weltlich instrumentalisiert haben und es noch tun – auch, um die Idee von einem freien Leben in demokratisch-rechtsstaatlichen Verhältnissen zu sabotieren.

Staatsbürger des Westens

Der Amsterdamer Spruch wird rasch in den muslimisch geprägten Communities rezipiert werden, und man wird der Härte der niederländischen Justiz mit dem gleichen Respekt begegnen wie der Konsequenz der britischen Ordnungsmächte nach den Londoner Terroranschlägen. Der verblassende Wankelmut der Mehrheitsgesellschaften ist vermutlich, so geht aus ersten Weblogs hervor, eine der vitalsten Gesten, um muslimischen Staatsbürgern des Westens die Integration zu erleichtern: Es sind die Freiheiten, die auch sie meinen. Zu ihnen gehört die Souveränität, gegen religiös glühende Mörder und Terroristen so zu agieren, dass ihnen keine Freiheit mehr bleibt.