heute in hamburg
: „Überlebende werden diskriminiert“

Ausstellung „Nachbilder. Wechselnde Perspektiven auf Hiroshima“: bis 23. August, täglich 10 bis 18 Uhr, Mahnmal St. Nikolai, Eintritt frei

Interview Moritz Klindworth

taz: Herr Rojkowski, gibt es die eine große Geschichte über Hiroshima?

David Rojkowski: Es wurde schon oft versucht, die eine Geschichte zu erzählen. Wir wollten zeigen, dass es auch anders geht. Wir erzählen verschiedene Geschichten anhand derer wir die Besucher an das historische Ereignis heranführen. Die Geschichten, die zum Teil unbekannt oder in Vergessenheit geraten sind, stehen im Vordergrund.

Welche unterschiedlichen Perspektiven werden dann dargestellt?

Neben amerikanischen, britischen und deutschen Exponaten, zeigt die Ausstellung hauptsächlich eine japanische Sicht. Kritisch ist die Sicht, weil wir Tourismusbroschüren aus Hiroshima zeigen, die zwei bis drei Jahre nach dem Krieg veröffentlicht wurden. Die Behörden verschleiern das Schicksal der Opfer der Bombenangriffe darin. Sie zeigen ein sehr positives Propagandabild Hiroshimas als die neue Stadt des Friedens. Ein Drittel der Ausstellung nimmt die Perspektive der Überlebenden in Form von Zeichnungen ein, die begleitet werden von Ausschnitten aus Berichten der Überlebenden. Weitere Perspektiven sind Geschichten über persönliche Schicksale der Überlebenden, die nach dem Abwurf der Atombombe eine Rolle in der Öffentlichkeit spielten sowie gesellschaftliche und mediale Phänomene.

Gibt es Unterschiede zwischen der Perspektive der Überlebenden und der der übrigen Gesellschaft?

Foto: privat

David Rojkowski43, ist freier Journalist, Soziologe und Fotograf und Kurator der Ausstellung.

Lange Zeit spielte die Perspektive der Überlebenden medial keine Rolle. Auch in nicht-japanischen Zeitungen tauchen sie nicht auf. Problematisch ist, dass die Überlebenden auch in Japan diskriminiert werden. Die Menschen haben Angst vor der Strahlenkrankheit und denken, sie sei übertragbar. Über das Thema wurde bis zum Ende der US-amerikanischen Besatzung geschwiegen. Es gab eine strenge Zensur in Japan. Erst sieben Jahre nach dem Bombenanschlag gab es erste Ausstellungen und Publikationen über Überlebende.

Ein Bild zeigen Sie nicht: dieses berühmte Bild des Atompilzes von oben, das alle kennen?

Wir wollten nicht die Geschichten und die Bilder verwenden, die eigentlich Propaganda sind. Die Geschichte ohne das Bild zu erzählen, ist aber unmöglich. Wir zeigen das Bild deshalb nicht aus der Vogelperspektive, sondern aus der Sicht der Menschen auf der Erde. Sie erkennen es gar nicht als Atompilz, sondern als riesige Strahlenwolke. Dieser Perspektivwechsel zeichnet die Ausstellung aus.