Düstere Leinwände drohen

Bremer geht in Eure Kinos! Sonst gibt es bald immer weniger – wie das Beispiel Bremerhaven zeigt. Der bundesweite Besuchereinbruch um rund 20 Prozent lässt neben den Programmkinos auch die Multiplexe wackeln

Bremen taz ■ Die wirtschaftliche Situation der Bremer Kinos ist schlecht. Und das nicht im Rahmen des üblichen Sommerlochs, sondern in existenzieller Weise. „Wir haben ganz extreme Besucherrückgänge“, sagt Heinz Rigbers vom „City“ in der Birkenstraße. Rigbers momentaner Rettungsstrohhalm heißt „Alles auf Zucker“. Ohne diesen „ersten Lichtblick“ in diesem Jahr hätte er schon vor 14 Tagen zumachen müssen, sagt Rigbers.

„Im Januar ging‘s noch, aber dann ging es kontinuierlich bergab“, bestätigt „Schauburg“-Chef Robert Erdmann den allgemeinen Trend. Seine Hoffnungen richten sich auf den neuen Wim Wenders, der im August anläuft. Auf die sonst üblichen rund 120.000 Besucher (zusammen mit „Gondel“ und „Atlantis“, die ebenfalls zur Filmkunsttheater GmbH gehören) hat man bisher vergeblich gewartet. Das einzige, was mit bislang 7.000 ZuschauerInnen erfolgreich lief, war die Bremen/Brokdorf-Landkommunenkomödie „Am Tag als Boby Ewing starb“. Erdmann: „Es ist schon dramatisch“, obwohl man sich „momentan noch keine konkreten Gedanken über Betriebsschließungen“ mache. Allerdings können nicht mehr alle Rechnungen bezahlt werden, die Bank ist eingeschaltet, dem Personal werden Stunden reduziert.

Nach Angaben der Filmförderanstalt ging 2004 jeder Bremer 2,8 Mal pro Jahr ins Kino. Das ist im bundesweiten Schnitt (1,9 Mal) beachtlich, reicht aber nicht, um die vorhandenen 10.873 Plätze oft genug zu füllen. Zumal es für 2005 bisher deutlich schlechter aussieht. Offizielle Zahlen liegen noch nicht vor, trotzdem ist durchgesickert, dass es im ersten Halbjahr einen 20-prozentigen Besucherrückgang gab. Bundesweit fehlen die starken Filme, erklärt Eva Matlok vom Bundesverband der Programmkinos.

Für die Besucher wirkt sich die Krise finanziell noch nicht aus, der derzeitige Karten-Durchschnittspreis liegt mit 5,85 Euro nur um 3,2 Prozent höher als 1998. Obwohl sie ja schuld sind an der Krise. Deren Hintergrund ist die massenhafte Nutzung von Downloads und DVDs. Mit einem Beamer ins Wohnzimmer geworfen, entsteht das immer beliebter werdende „Homekino“.

Noch stärker als die Programmkinos (eine Sonderstellung nimmt dabei das Kino 46 als öffentlich gefördertes „kommunales Kino“ ein) sind die Multiplexe betroffen. Weder im „Cinestar“ noch im „Cinemaxx“ läuft das Geschäft. Eine Schließung des Hauses am Breitenweg stehe nicht bevor, versichert Cinemaxx-Sprecher Arne Schmidt. Doch schon seit 2001 bilanziert seine AG rote Zahlen, dem Vernehmen nach verkauft Vorstand Hans-Joachim Flebbe gerade sein Haus auf Mallorca.

Diese Option gibt es für Thomas Settje nicht, der das Cinema am O‘weg betreibt. Obwohl das Haus ein komplett durch organisierter Familienbetrieb ist (neben Settje selbst arbeiten auch Frau und Schwester mit, seine Ex-Frau macht die Gastronomie, das Gebäude gehört dem Vater), sei es derzeit „richtig eng“. Drei Jahre wurde gespart, um renovieren zu können, jetzt aber bleiben zu viele der bequemen neuen Sessel leer. Settje: „Wir warten von Woche zu Woche, ob genug Leute kommen.“ In dieser Situation entscheide der Erfolg einzelner Filme über das Fortbestehen des Hauses. Konkret: „Wenn ,In der Höhle des gelben Hundes‘ nicht läuft, sind wir in den nächsten Monaten am Ende.“

Das ist keine Schwarzmalerei. Vergangenes Jahr verlor Bremerhaven auf einen Schlag die Hälfte seiner Kinokapazitäten. Nach der Schließung von „Passage“ und „Aladin“ drohte Bremerhaven sogar, zur bundesweit ersten Großstadt ohne Kinoangebot zu werden. In letzter Minute erklärte sich die Hamburger „Union“ bereit, wenigstens das „Apollo“ zusammen mit dem „Atlantis“ weiter zu betreiben.

Der einzige, der derzeit Optimismus verströmt, ist Gunnar Burmester. Dessen Vertrag für die zehn Säle des Cinespace gilt in der Branche allerdings auch als weitgehend risikoarm. Per Beratervertrag mit der Space Center GmbH hatte er den Bau nach seinen Vorstellungen steuern können, seit Fertigstellung konnte er das Haus mit einem entgegenkommenden Mietvertrag betreiben. Burmester selbst verweist auf gute Zahlen: Selbst die Space Park-Schließung vor einem Jahr habe lediglich einen Rückgang um sieben Prozent gebracht, und auch der habe sich schnell „egalisiert“. Und zwar auf fast 300.000 BesucherInnen pro Jahr – eine Zahl, die in der Branche ungläubiges Staunen hervorruft. Burmester ist ein optimistischer Rechner: Setze man seine stabilen Zahlen in Relation mit der bundesweiten Brancheflaute, könne er eigentlich ein Plus von 20 Prozent für sich in Anspruch nehmen. Was Burmester auf jeden Fall hat, ist – mit 275-Quadratmeter – die größte derzeit bespielte Leinwand Bremens. Weit abgeschlagen folgt das Cinemaxx mit halb so großer Flimmerfläche. Auf Bremens Monsterwand allerdings, der 500-Quadratmeter-Leinwand des Imax im Space Park, ist es schon seit einem Jahr dunkel.

Henning Bleyl