Aus der Chefredaktion
: Liebe Leserinnen,
liebe Leser

Am Montag ist in der taz eine Kolumne erschienen, die sich unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ mit einer Debatte über die Abschaffung der Polizei befasst. Der Text hat hohe Wellen geschlagen, die Polizeigewerkschaften haben mehrere Anzeigen wegen angeblicher Volksverhetzung gestellt, die Berliner Polizeipräsidentin ein Rundschreiben an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschickt. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hält unsere Autorin sogar für einen Fall für den Verfassungsschutz. Und die CSU veröffentlichte auf Twitter ein Foto der Autorin mit dem Zusatz: „Die hässliche Fratze der hasserfüllten Linken“, das wirkte wie ein Pranger (mittlerweile hat die CSU den Tweet gelöscht und sich für die Form entschuldigt). Unsere Autorin wurde so und wird seitdem zur direkten Zielscheibe von Hass und Hetze gemacht. Wir sorgen uns um unsere Kollegin.

Seit Erscheinen der Kolumne wird in der taz intensiv über den Text diskutiert, und viele Leserinnen und Leser haben uns ihre Empörung mitgeteilt. Eine Passage liest sich, als ob Polizisten mit Abfall gleichgesetzt werden. Satire darf fast alles – sogar in ihrer Wortwahl danebengreifen. Aber Menschen, egal welcher Berufsgruppe, als Müll zu bezeichnen, widerspricht fundamental dem Selbstverständnis der taz, die sich einer menschlicheren Gesellschaft verschrieben hat. Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid.

Das Ringen in der Redaktion über den Text und darüber, was gesagt werden soll, darf und muss, legt aber auch einen tieferen Konflikt in der taz offen. Wir streiten darum, wie stark der subjektive Blick, wie stark Diskriminierungserfahrung den Journalismus prägen soll oder darf. Identität, Repräsentation und Antidiskriminierung haben in den gesellschaftlichen Debatten inzwischen einen ganz anderen Stellenwert. Die Frage, ob das einen anderen Journalismus definieren darf oder muss, hat zu einem lange schwelenden Konflikt in der taz geführt.

Wir haben uns entschlossen, diesen Konflikt nicht zu verdrängen, sondern ihn auszutragen, auch in der taz. Mit einem Debattenbeitrag von Stefan Reinecke fangen wir damit jetzt an. Auch Bettina Gaus widmet dem ihre Kolumne. Weitere Texte aus anderen, aus unterschiedlichen Perspektiven sollen folgen. Wir werden dafür auch Platz auf unserer Seite schaffen, auf der wir die Diskussion mit unseren Leserinnen und Lesern suchen. Beteiligen Sie sich bitte an dieser Debatte – und bleiben Sie uns gewogen.

Ihre Barbara Junge