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Archiv-Artikel

Die Nummerngirls

FUSSBALL Im Frauenfinale treffen wie bei der WM Japan und die USA aufeinander. Trotz der Attraktivität des Turniers bleiben die Akteurinnen anonym

AUS LONDON ANDREAS RÜTTENAUER

Fußball bleibt Fußball – auch bei Olympia. Das Turnier der Männer hat einen Rassismusskandal, über die Rolle von Fifa-Präsident und IOC-Mitglied Sepp Blatter wurde schon heftig diskutiert, und das Team Großbritanniens ist nach einem Elfmeterschießen ausgeschieden.

Letzteres war egal, weil es an dem Tag geschah, an dem britische Sportler sechs Goldmedaillen gewonnen haben. Der Schweizer Kicker Michel Morganella hatte sich mit seinem Tweet „Ich könnte alle Südkoreaner verprügeln. Geht euch abfackeln, Bande von geistig Behinderten“ aus dem Olympiateam katapultiert. Und Blatter liegt im Streit mit dem britischen olympischen Komitee, seit er eine Sperre für Gareth Bale gefordert hat, der sich wegen einer vermeintlichen Verletzung vom Olympiateam abgemeldet hat, um dann putzmunter in einem Testspiel für Tottenham Hotspur in den USA aufzulaufen. Colin Moynihan, der Chef des britischen olympischen Komitees will nicht, dass Blatter sich einmischt und damit einen weiteren Schatten auf das Männerturnier wirft, das sportlich ohnehin nur zweitklassig ist. Den ganz großen Ruhm können die durch drei erfahrene Spieler verstärkten Juniorenauswahlen bei Olympia auch mit einem Sieg nicht erlangen.

Fußball bleibt Fußball. Das gilt auch für den Frauenwettbewerb. Da stehen nach einem irren 4:3-Erfolg nach Verlängerung gegen Kanada die Frauen aus den USA wieder im Finale. Seit Frauenfußball olympisch ist, hat noch kein Endspiel ohne die USA stattgefunden. Und doch wird den sportlichen Wert des Olympiaturniers niemand anzweifeln. Hier zeigt der Frauenfußball seinen Entwicklungsstand. Mit bisweilen feuchten Augen sprechen die Trainer nach den Spielen über die irren Zuschauerzahlen. Die 75.000 Zuschauer, die das Vorrundenspiel der britischen Frauen gegen Brasilien im Wembley-Stadion gesehen haben, stellen einen neuen Rekord für die Insel dar. Hope Powell, die britische Trainerin, die sich daran erinnern kann, dass sich noch vor zwei Jahren beinahe niemand für das Endspiel in der Champions League der Frauen im London interessiert hat, ist sich sicher, dass „das Ansehen des Frauenfußballs gestiegen ist“.

Noch etwas, was bleibt, wie es war: Im Finale des Turniers am Donnerstag treffen die USA wieder auf Japan. Im WM-Finale von Frankfurt hatte sich Japan durchgesetzt und damit einen Boom ausgelöst. Beim Halbfinale gegen Frankreich, das über 60.000 Menschen in Wembley sehen wollten, bereiteten Tausende japanische Fans den Weltmeisterinnen eine echte Heimspielatmosphäre. Japans Trainer Norio Sasaki war davon ebenso angerührt wie vom Sieg seiner Spielerinnen, die sich nach einer 2:0-Führung den wütenden Angriffen des Teams aus Frankreich erwehren konnte und am Ende ein 2:1 über die Zeit retteten. „Ich bin jetzt schon so lange mit den Frauen zusammen“, sagte er „und habe so viele Tränen gesehen, das mir selbst schon welche kommen.“

Und doch ist das Spiel der Frauen nach wie vor eines von Namenlosen. Reden die Trainer über die gegnerischen Mannschaften, nennen sie Nummern, keine Namen. Beispiel Sasaki: „Ich habe gesagt, dass wir bei Freistößen auf die Nummer zwei achten müssen.“ Er meinte die große französische Verteidigerin Wendy Renard. Und Frankreichs Trainer Bruno Bini war ganz angetan von der japanischen Nummer acht. Die trug die herausragende Aya Miyama, die Spielführerin des siegreichen Teams aus Japan. Ihren Namen könnte der gegnerische Trainer schon kennen.

Aber auch in ihrer Heimat sind die japanischen Fußballerinnen trotz des WM-Erfolgs immer noch nicht ganz oben angekommen. Sasaki bestätigte am Montag die Gerüchte, nach denen die Frauenmannschaft in der Economy-Class nach London geflogen sei, während die Männer Business-Class genießen durften. „Wir sind ja auch kleiner“, sagte Sasaki. Es hörte sich so an, als sei er froh, dass es das Team überhaupt nach London geschafft habe. Eine sehr olympische Einstellung.

Auch Sepp Blatter präsentiert sich in diesen Tagen als großer Olympiafreund. Er will dem „Geist der Spiele“ folgen. Dennoch wird er weiter alles dafür tun, seiner großen Männer-Weltmeisterschaft bei Olympia keine Konkurrenz zu machen. Doch der Frauenfußball und seine olympische Entwicklung könnte durchaus stilbildend sein. Blatter hat schon die Idee geäußert, Futsal, die Fifa-Variante des Hallenfußballs, oder Beach Soccer olympische Ehren zuteil werden zu lassen. IOC-Präsident Jacques Rogge bestätigte, dass darüber bereits Verhandlungen geführt werden.