Der sanfte Deutsche

Ein Herr von melancholischer Eleganz: „Wohlbrück – Walbrook“ – eine Filmreihe im Zeughauskino ehrt einen großen Schauspieler des schwarz-weißen Kinos

Der eleganteste Mann in Wien: Adolf Wohlbrück (rechts) in „Maskerade“ Foto: filmexil@synema.at

Von Frank Arnold

Wen würden Sie lieber kennenlernen? „Londons berühmtesten Frauenheld“ oder „den elegantesten Mann in Wien“? Die Qual der Wahl ist keine, hinter beiden Filmfiguren steckt derselbe Darsteller: Adolf Wohlbrück, der Eleganz und Melancholie in seinen über fünfzig Film- und Fernsehauftritten verkörperte wie kaum ein anderer. 27 dieser Werke, entstanden zwischen 1923 und 1962, sowie ein Porträt über ihn, sind derzeit im Zeughauskino zu sehen.

1896 in Wien geboren, gehörte Wohlbrück Mitte der dreißiger Jahre in Deutschland zu den Bestbezahlten seines Fachs, entschied sich aber nach einem Hollywoodintermezzo 1937, nicht nach Deutschland zurückzukehren, sondern seine Karriere in Großbritannien – als Anton Walbrook – fortzusetzen. Er, der dort auch andere Emigranten unterstützte, musste anders als Conrad Veidt in der Emigration nie Nazirollen spielen, sondern war von Anfang an „der gute Deutsche“. Dabei half ihm gleich seine erste Rolle als Prinzgemahl Albert von Queen Victoria in „Victoria the Great“. Publikum und Kritiker zeigten sich gleichermaßen beeindruckt.

Ebenfalls ein guter Deutscher war er in dem zweiten von vier Filmen, die er unter der Regie des Gespanns Michael Powell & Emeric Pressburger drehte. Sein Theodor Kretschmar-Schuldorff duelliert sich im kaiserlichen Berlin mit dem (eher einfältigen) Protagonisten von „The Life and Death of Colonel Blimp“, woraus später eine enge Freundschaft erwächst. Als Kriegsgefangener wird er von britischen Beamten, die über seinen Status als „enemy alien“ zu entscheiden haben, befragt.

Was in seinen Worten von der Biografie des Autors Pressburger geprägt ist, macht Walbrook sich durch seine Intonation zu eigen. Diese humanistischen Werte hatte er bereits zwei Jahre zuvor hochgehalten, in sehr viel expliziterer Form, als er in ­Powell/Pressburgers „The 49th Parallel“ den Leiter einer Hutterer-Gemeinschaft in Kanada verkörperte. Als dort eine versprengte deutsche U-Boot-Mannschaft zeitweilig Zuflucht sucht, antwortet er auf die Nazipropaganda ihres Anführers in einer längeren Erwiderung, den Unterschied zwischen Deutschen und Nazis hervorhebend. Er tut das mit sanfter Stimme, die aber gleichzeitig von Entschlossenheit kündigt, den Anfängen zu wehren.

Vielleicht war es gerade diese positive Nähe zum Publikum, die Powell & Pressburger ermunterte, ihn 1948 als den fanatischen Impresario in „Die roten Schuhe“ zu besetzen. In seiner Besessenheit von der perfekten künstlerischen Leistung kann er die Liebe der von ihm protegierten Tänzerin zu dem jungen Komponisten, der das Libretto verfertigt, nur als Ablenkung von ihrer Pflicht sehen – die Folgen sind fatal.

Dass er das Abgründige seiner Figuren auch bis zum puren Bösen treiben konnte, hatte er schon früher unter Beweis gestellt: In „Gaslight“ verkörperte er den Ehemann, der seine Frau langsam in den Wahnsinn treibt – nur um an ein kostbares Schmuckstück zu gelangen. Der Film braucht sich hinter der ungleich bekannteren amerikanischen Neuverfilmung mit Charles Boyer und Ingrid Bergman nicht zu verstecken.

Er verkörperte den Ehemann, der seine Frau in den Wahnsinn treibt

Gerade die Eleganz, die Wohlbrück ausstrahlt, macht seine Figuren zu solchen, die für eine überholte Epoche stehen. Damit war er eine Idealbesetzung für Max Ophüls, als Spielleiter, der ironisch den „Reigen“ der Liebespaare kommentiert, als gealterter Ludwig II., der seine Schwerhörigkeit spielerisch nutzt, um der Tänzerin „Lola Montez“ körperlich nahezukommen. Immer wieder hebt ihn ein Auftreten von den Menschen um ihn herum ab. In einem seiner letzten Filme vor der Emigration, dem 1936 entstandenen Abenteuerfilm „Der Kurier des Zaren“, ist er der homme professionel, der in jeder Situation gelassen bleibt, was in einem schönen Kontrast zum theatralischen Auftreten seines Widersachers, Alexander Golling, steht; in Reinhold Schünzels „Die englische Heirat“ (1934) pflegt er eine zweihundertjährige Tradition als Anwalt einer britischen Adelsfamilie, lässt aber in seinem Auftreten stets Distanz zu deren Steifheit durchscheinen. Wie in „Viktor und Viktoria“, ein Jahr zuvor ebenfalls unter Schünzels Regie entstanden, war seine Partnerin hier die höchst bodenständige Renate Müller, mit der er ein schönes Gespann abgab.

Dass „Londons berühmtester Frauenheld“ („Viktor und Viktoria“) beziehungsweise „der eleganteste Mann in Wien“ (Willi Forsts „Maskerade“) privat dem eigenen Geschlecht zugetan war, ist eine passende Pointe.

Zur Filmreihe ist eine schöne Publikation im Wiener Verlag Synema erschienen, herausgegeben von Frederik Lang, Brigitte Mayr und Michael Omasta, die neben einer kommentierten Filmografie, verfasst von Frederik Lang, der die Reihe auch konzipiert hat, Texte unter anderem von Marcel Ophüls, Dominik Graf und Peter Nau enthält.

Wohlbrück & Walbrook, bis 19. 9. im Zeughauskino