Die dunkle Seite der Politik

Eine Lehre aus dem Fall Amthor: Es braucht Lobbyregister. Auch auf Landesebene. Trotz Gesetzentwurf lässt es auf sich warten

Beispiel für einen Lobbyisten: Philipp Amthor, Bundestagsabgeordneter der CDU Foto: Jens Büttner/dpa

Von Bert Schulz

Lobbyismus – das klingt böse. Und bisweilen entstehen durch die alltäglichen Kontakte zwischen PolitikerInnen und anderen Menschen tatsächlich Verbindungen, die den Eindruck erwecken, die Politik sei käuflich. Zuletzt im Fall Philipp Amthor: Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte sich für ein undurchsichtiges US-amerikanisches IT-Unternehmen eingesetzt. Eine Folge des Skandals: Die Opposition im Bundestag aus Linken, Grünen und FDP fordert – wieder einmal – die Einführung eines Lobbyregisters. Und tatsächlich gibt es Anzeichen, dass sich selbst die CDU unter dem aktuellen Druck dazu durchringen könnte.

„Man sollte nicht glauben, dass es einen Fall Amthor nicht auch in Berlin geben könnte“, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Michael Efler. Immerhin sei der Landeshaushalt inzwischen mehr als 30 Milliarden Euro schwer; die Bauwirtschaft der Stadt hatte viele Jahrzehnte lang einen höchst zweifelhaften Ruf. Deswegen fordert Efler auch für Berlin ein solches Register. „Der Fall Amthor zeigt erneut, wie praxisrelevant das Thema ist.“

Der Linkspartei-Abgeordnete drängt damit darauf, ein von Rot-Rot-Grün bereits im Koalitionsvertrag von Dezember 2016 vereinbartes Ziel doch noch vor Ende der Legislaturperiode umzusetzen. Die Linksfraktion hat vor mehr als einem Jahr einen Entwurf für ein Gesetz verfasst, daraufhin gab es ein Treffen von Abgeordneten der drei Regierungsfraktionen. „Seitdem ist so gut wie nichts mehr passiert.“ Dabei geht Efler davon aus, dass das Thema an sich eigentlich unstrittig ist.

Die Umsetzung hingegen ist nicht so einfach. Das fängt mit der Frage an, wann die Einflussnahme auf die Politiker – also das Lobbying an sich – beginnt. Streng genommen gehört dazu jeder Brief mit einem Wunsch oder einem Anliegen, den eine Bürgerin an einen Abgeordneten verfasst. Zudem ist das Anhören der Positionen von Verbänden, Vereinen, NGOs etc. fester Teil des Gesetzgebungsprozess. Abgeordnete wiederum haben ein freies Mandat. Bei Fällen wie Amthor kann man hingegen mutmaßen, dass die Grenze zur Korruption überschritten ist.

Der Gesetzentwurf der Linken für Berlin sieht vor, dass alle an einem „Gesetzgebungsverfahren beteiligten juristischen Personen“ in einem öffentlichen, vom Abgeordnetenhaus geführten Register aufgelistet werden. „Juristische Personen“ sind Vereinigungen mehrerer Menschen oder auch Sachen, also Vereine, Unternehmen, Stiftungen oder Anwaltskanzleien, die eine wichtige Rolle spielen im Geflecht der Lobbyisten, nicht aber Einzelpersonen wie etwa WissenschaftlerInnen.

Zudem enthält der Entwurf einen „legislativen Fußabdruck“: Es werden also nicht nur die Lobbyisten selbst erfasst, sondern auch, was sie konkret zu einem Gesetzentwurf beigetragen haben oder beitragen wollten. Dabei geht es um schriftliche „Stellungnahmen, mit denen Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren genommen werden soll“ gegenüber Abgeordneten, Fraktionen, Ausschüssen und vor allem dem Senat, von dem die meisten Gesetzentwürfe stammen.

Wird ein Entwurf dann zur Debatte ins Parlament eingebracht, enthält er eine Zusammenfassung „der wesentlichen Inhalte der jeweiligen Beiträge“ der Lobbyisten.

Viel Post bekamen die Abgeordneten laut Efler von Verbänden und Vereinigungen in dieser Legislaturperiode etwa zum Mietendeckel-Gesetz oder jüngst für das Landesantidiskriminierungsgesetz, in diesem Fall etwa von der Gewerkschaft der Polizei. Die Erfassung all dieser Stellungnahmen wie Personen würde also viel Aufwand bedeuten. Laut Efler sei der Entwurf dennoch nur „die schlanke Version: Schreibt eine Bürgerin einen Brief an einen Abgeordneten, muss dieser nicht veröffentlicht werden.“ Auch müsse nicht jedes einzelne Treffen oder Telefonat mit Lobbyisten registriert werden.

Christina Deckwirth vom Verband LobbyControl – letztlich also selbst eine Lobbyistin – hält die Doppelstruktur für absolut sinnvoll. Mit der Registrierung der Lobbyisten werde Transparenz geschaffen, „wer wie aktiv ist oder wer wen beauftragt hat“. Dabei sei es wichtig, auch „als Einzelpersonen getarnte Lobbyisten“ zu erfassen. Mit dem legislativen Fußabdruck wiederum werde „der konkrete Versuch der Einflussnahme deutlich“, sagt sie. Das Land Thüringen gelte dabei oft als Vorbild: Allerdings müssten im dort beschlossenen Lobbyregister die Lobbyisten zustimmen, dass ihre Stellungnahmen veröffentlicht werden. „Diese Regel macht natürlich wenig Sinn“, betont Deckwirth.

Die Berliner SPD steht dem Ziel eines Lobbyregisters samt legislativem Fußabdruck durchaus aufgeschlossen gegenüber, wie der Abgeordnete Sven Kohlmeier betont: „Es wird aber noch ein ziemliche Herausforderung.“ Vor allem die Formulierung des Gesetzes: „Im Kern geht es, auch im Fall Amthor, um die unredliche Einflussnahme auf Politiker – die muss erfasst werden.“ Lobbyismus sei nicht per se schlecht, er selbst mache ja Lobbyismus für seinen Wahlkreis Kaulsdorf.

Im August soll es ein Treffen der Koalition zum Lobbyregister geben

Und wem helfe letztlich die Registrierung der Lobbyisten? Vielmehr sollten laut Kohlmeier genaue Tatbestände formuliert werden, was als unredlich angesehen werde. Und es brauche natürlich Sanktionen, also Strafen im Falle der Nichtbefolgung. Die sieht der Entwurf der Linken bisher nicht vor. Im August, sprich nach der Sommerpause, werde es ein Treffen der Koalitionsfraktionen zum Lobbyregister geben, kündigte Kohlmeier an.

Der linke Abgeordnete Efler hält Nachbesserungen nicht für ein Hindernis. „Unser Entwurf ist eine erste Grundlage, er kann durchaus deutlich geändert werden“, betont Efler.

Auch die Grünen sehen eigentlich keinen wirklichen Hinderungsgrund. „Rot-Rot-Grün will dieses Gesetz“, sagt ihr Innenpolitiker Benedikt Lux. „Im Oktober stehen die Eckpunkte, dann kommt ein Referentenentwurf – einschließlich des legislativen Fußabdrucks.“ Die Koalition habe in den vergangenen Monaten bei einer Reihe von Gesetzentwürfen ihre „innenpolitische Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt“, etwa beim Polizeibeauftragen, dem Abstimmungsgesetz und der Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Asog, das die Befugnisse der Polizei regle. Diese Handlungsfähigkeit werde sich auch beim Lobbyregister zeigen.

Dieser Optimismus steht ein wenig im Widerspruch dazu, dass die Grünen schon lange auf ein solches Gesetz drängen. „Der Einfluss von Lobbyistinnen und Lobbyisten auf politische Entschei­dungsprozesse hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die zunehmende Verflechtung von politischen und ökonomischen Eliten untergräbt die Neutralität der Regierungsorgane und leistet einer Entmündigung der Parlamente Vorschub“, heißt es in der Begründung eines Antrags im Abgeordnetenhaus zur Einrichtung eines Lobbyregisters. Er stammt vom November 2011.