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Der weiße Mann ist der Teufel, aber unsere Zeit kommt

Eine Feier Schwarzer Kultur: Die von Greg de Cuir Jr. kuratierte Reihe „Black Light“ im Arsenal kreist um mögliche Definitionen eines Kinos der Schwarzen Diaspora im 20. Jahrhundert

Der Duke (Rony Clanton) im Spielfilm „The Cool World“ (1963) von Shirley Clarke Foto: Arsenal Institut

Von Silvia Hallensleben

Der weiße Mann ist der Teufel, schreit der Mann. Ein Teufel, der uns nach hundert Jahren sogenannter Freiheit immer noch verfolgt, schlägt, einsperrt und unsere Brüder tötet. Der unsere Körper und Seelen versklavte. Doch unsere Zeit kommt. Dann fährt die Kamera zurück und wir können um den bärtigen Mann mit Kragen und Schlips herum die Straße sehen: eine kleine Kundgebung, meist ältere Zuhörer*innen und weiße Polizisten, im Hintergrund Sirenengeheul. Dann folgen kurze Ansichten anderer Menschen in den Straßen aus einer heute visuell fern anmutenden und in ihren Konflikten doch höchst gegenwärtigen Zeit.

Es ist die Anfangsszene von Shirley Clarkes Debütfilm „The Cool World“, der schon Ende März im Kino Arsenal laufen sollte – als Abschluss der Reihe „Black Light“, die um mögliche Definitionen eines Kinos der Schwarzen Diaspora im 20. Jahrhundert kreist. Dann kam Corona, und das Arsenal erfand sich mit dem „arsenal 3“ im Netz neu.

Doch jetzt geht es ab 1. Juli nach dreieinhalb Monaten endlich zurück vor die echte Leinwand, und dies mit dem zweiten Teil von „Black Light“, der nach dem Tod von George Floyd nicht nur im Titel noch einmal neue Assoziationen und Fokussierungen bekommen hat. Dabei war es schon vor Corona entschieden, das vom Filmfestival Locarno übernommene Programm von seiner international weit ausholenden Geste (fast) auf Filme aus den USA zu begrenzen.

Belafonte produziert

Das Konzept von Kurator Greg de Cuir Jr. positioniert sich dezidiert jenseits grassierender identitätspolitischer Tendenzen, er selbst betont in Interviews die Bedeutung von Diversität in Genres, künstlerischen Ansätzen und Perspektiven seiner „Investigation und Feier Schwarzer Kultur“, die auch weiße Regiepositionen nicht ausschließt: wie bei Robert Wises „Odds Against Tomorrow“ (1959), wo Darsteller Harry Belafonte auch als Produzent mitgemischt hat.

„The Cool World“ profitiert in seiner Authentizität von der Nähe zu seinen nichtprofessionellen jungen Darstellern aus dem Harlem der frühen 1960er und wurde von Regisseurin Shirley Clarke mit Co-Darsteller Carl Lee geschrieben. Im Zentrum des semidokumentarisch gedrehten Films steht der blutjunge Duke, der durch den Erwerb einer Waffe seine Rolle in der Gang und der Welt überhaupt stabilisieren will.

Inszeniert hat die ehemalige Tänzerin Clarke diese Szenen in lyrischem Schwarz-Weiß vor einem melancholischen Soundtrack von Mal Waldron und Dizzy Gillespie mit starken choreografischen Einlagen.

Auch in Oscar Micheaux’ „Within Our Gates“ gibt es eine Predigt mit starken Bildern, diesmal allerdings ist sie nicht von zorniger Wucht, sondern fast karikatureskes Theater der Bigotterie, wenn der Priester einer schwarzen Südstaatengemeinde wortreich die moralische Überlegenheit der Ex-Sklav*innen gegenüber ihren dekadenten weißen Herren beschwört und sich danach bei diesen untertänigst einschmeichelt. Der Stummfilm aus dem Jahr 1919 gilt als der erste Film eines afroamerikanischen Regisseurs überhaupt und setzt in einer brüchigen elliptischen Dramaturgie das leidenschaftliche Engagement einiger Aktivist*innen für die Bildung „unserer Leute“ gegen die Fatalitäten einer rassitisch-feudal geprägten Familiengeschichte.

Spike Lees Heldin Nola Darling ist eine Frau ohne familiäre Ambitionen

Er zeigt aber auch, wie seine kämpferische Heldin am Ende in den patriotischen Rahmen der Nation und per Ehe in das patriarchale Konzept integriert wird. Das ist bezeichnend für viele der Filme, wo Frauen (vor allem in Nebenrollen) als starke, aber vor allem fürsorgliche Großmütter, Mütter oder Ehefrauen fungieren.Nach gängiger Meinung brach damit radikal Spike Lee mit seinem in nur zwölf Tagen mit Minibudget und familiärer Hilfe abgedrehten Spielfilmdebüt „She’s Gotta Have It“ von 1986, der seine Heldin Nola Darling passend zum Zeitgeist als zumindest sexuell selbstbestimmte, in sich selbst zentrierte junge Frau ohne familiäre Ambitionen zeigt: In der Breite der damaligen Rezeption besonders für alle in traditionell geprägter Umgebung lebenden Frauen ein motivierendes Zeichen.

Eigenheiten und Eitelkeiten

Auch die Etablierung großstädtisch afroamerikanischen Mittelstandslebens auf der Leinwand wird Lees Film gerne zugeschrieben. Zeitlich zuvorgekommen ist ihm aber eine ähnlich starke, doch an Boxoffice und öffentlicher Wahrnehmung weitgehend vorbeigegangene Arbeit: die aus einer dezidiert feministischen Position inszenierte tragikomische Eheromanze „Losing Ground“ (1982) von Kathleen Collins, die in einem Plot um ein arriviertes New Yorker Professorin-Künstler-Paar auch die Eigenheiten und Eitelkeiten der entsprechenden Berufswelten in den Blick nimmt.

Auch dieses sommerlich lichtdurchströmte wie diskursiv vielschichtige Stück ist ein Langfilmdebüt – und leider zugleich das letzte der 1988 an Krebs verstorbenen afroamerikanischen Professorin, Autorin und Regisseurin Kathleen Collins. Warum der Film erst im Jahr 2015 im New Yorker Lincoln Center seine begeisterte Wiederentdeckung erlebte, muss die Filmgeschichte klären. Gut, dass er jetzt in Berlin zu sehen ist.

Black Light, noch 13 Filme, bis 26. 8., www.arsenal-berlin.de

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