petition der woche: Übergewichtige Menschen dürfen nicht diskriminiert werden
Anlass der Petition Ein Hotel in Cuxhaven schließt übergewichtige Gäste aus
Das wollen die Initiatoren Gewichtsdiskriminierung soll strafbar werden
Das wollen sie nicht Dass übergewichtige Menschen weiter benachteiligt werden
Das Beachhotel Sahlenburg in Cuxhaven wirbt mit Strandkörben auf der Dachterrasse und einem weiten Blick auf die Nordsee. Berühmt geworden ist es allerdings wegen einer Mitteilung auf der Hotelwebsite: „Aus Haftungsgründen weisen wir darauf hin, dass das Interieur für Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als 130 Kilogramm nicht geeignet ist.“
Ein Hotel, das dicke Menschen ausschließt? Durchs Netz schwappte eine Welle der Empörung, vermutlich deutlich größer als jene am Strand vor dem Hotel; ein Interview mit der Hotelbesitzerin bei Radio Bremen konnte die Wogen nicht glätten, im Gegenteil. Mittlerweile hat sich das Hotel auf der Website entschuldigt und teilt mit, dass man nur falschen Erwartungen habe vorbeugen wollen.
Grund für den Hinweis sei ein zusammengebrochenes Hotelbett gewesen, in dem ein übergewichtiger Gast geschlafen habe. Der Mann habe auf Schadenersatz geklagt, man habe sich außergerichtlich geeinigt, sagt die Hotelbesitzerin Angelika Hargesheimer gegenüber dpa. „Wir wollten niemanden diskriminieren, ausgrenzen oder abweisen. Sollte dies durch eine unbedachte Äußerung oder durch ein falsch wiedergegebenes Zitat, das wir nicht zu verantworten haben, geschehen sein, bitten wir ausdrücklich um Entschuldigung“, schreiben die Betreiber des Hotels.
Doch die Entschuldigung kommt zu spät: Menschen aufgrund ihres Gewichts anders zu behandeln muss strafbar werden, fordert die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung in einer Petition, die demnächst auf dem Portal des Bundestags-Petitionsausschusses veröffentlicht wird. Unterschreiben 50.000 Menschen, wird öffentlich über das Thema beraten, SPD und Grüne unterstützen das Vorhaben, Gewicht als Diskriminierungstatbestand ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufzunehmen.
Beiratsmitglied und Soziologe Friedrich Schorb, der an der Universität Bremen schon lange zum Thema Gewichtsdiskriminierung forscht, geht davon aus, dass die Petition breite Unterstützung von der Bevölkerung bekommt. In einer Studie über Gewichtsdiskriminierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt seien 60 Prozent der Befragten der Meinung gewesen, dass ein gesetzlicher Schutz nötig sei. „Die übergewichtigen Menschen werden täglich in Deutschland benachteiligt, dagegen können sie sich aber bisher nicht rechtlich wehren“, sagt Schorb der taz.
Es gebe einige internationale Fälle, in denen Gewicht zumindest lokal im Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen worden sei. „Manitoba in Kanada und Michigan in den USA sind Beispiele dafür“, sagt Schorb. „Außerdem gibt es Studien aus den USA, Kanada und Island, die zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung so ein Antidiskriminierungsgesetz unterstützen würde.“
Zudem zeige die Petition, so Schorb, dass diese Problematik ernst genommen würde – und Diskriminierung aufgrund eines hohen Körpergewichts genauso schädlich, falsch und sanktionswürdig ist wie andere Formen von Diskriminierung.
Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts sind zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig. Insgesamt ist ein Viertel der Erwachsenen stark übergewichtig. Negin Behkam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen