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Brasilien löscht Coronazahlen

Das Land will nur tägliche Fallzahlen herausgeben, keine Gesamtzahl. Kritiker warnen vor Vertuschung

Die brasilianische Regierung hat die fortlaufende Veröffentlichung der Gesamtzahl der Coronatoten gestoppt. Kritiker bezeichneten den Schritt vom Samstag als Versuch, die wahre Opferzahl zu verbergen. Zuvor hatten Experten monatelang kritisiert, dass die brasilianischen Statistiken erschreckend mangelhaft und in manchen Fällen manipuliert seien, sodass es eventuell nie möglich sein werde, das wahre Ausmaß der Covid-19-Pandemie in dem Land zu verstehen.

Zuletzt hatte Brasilien 615.000 Infektionen vermeldet, die nach den USA zweithöchste Zahl der Welt, und 34.000 Tote in Zusammenhang zu dem Virus, die dritthöchste Opferzahl aller Länder auf dem Globus.

Am Freitag nahm das brasilianische Gesundheitsministerium eine Internetseite offline, die die täglichen, wöchentlichen und monatlichen Daten zu Infektionen und Toten in den brasilianischen Bundesstaaten zeigte. Am Samstag kehrte die Seite zurück, doch die Gesamtzahlen der Infektionen der Bundesstaaten und der Nation waren verschwunden. Die Seite gibt nun nur die Zahlen für die vorangegangenen 24 Stunden an. Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro twitterte, die Gesamtzahlen seien „nicht repräsentativ“ für die gegenwärtige Lage in Brasilien.

Bolsonaro hatte zudem damit gedroht, dem Beispiel von US-Präsident Donald Trump zu folgen. Dem Sender CNN Brasil sagte er am Freitagabend (Ortszeit): „Die USA sind schon ausgetreten. Entweder die WHO arbeitet ohne ideologische Voreingenommenheit oder wir sind auch draußen.“

Ende Mai hatten die USA sich aus der WHO zurückgezogen. Während die Vereinigten Staaten allerdings einer der größten Geldgeber der Organisation gewesen waren, hatte Brasilien einem Bericht der Zeitung Folha de S. Paulo zufolge bereits 2019 aufgehört, Beiträge zu zahlen. Demnach stehen von dem Land Zahlungen von 33 Millionen US-Dollar aus.

Bolsonaro steht wegen seiner kontinuierlichen Verharmlosung der Covid-19-Pandemie national und international stark in der Kritik. Ein Rat von Gesundheitsministern von Bundesstaaten kündigte nun an, gegen ­Bolsonaros Änderungen zur Veröffentlichung der Fallzahlen zu kämpfen. „Der autoritäre, taktlose, inhumane und unethische Versuch, die Covid-19-Tode unsichtbar zu machen, wird nicht erfolgreich sein“, hieß es in einem Statement des Gremiums. (epd, ap, dpa)

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