berliner szenen: Fluglärm weg. Und wieder da
Lieber Herr Lütke Daldrup, viele Grüße von der Ostsee. Ich bin hier im Urlaub mit meiner Familie. Das Wetter ist schön, das Essen schmeckt, und eigentlich wollte ich gar nicht arbeiten. Fast hätte ich den Laptop zu Hause gelassen. Diese Kolumne war nämlich schon fertig. Sie begann mit den Worten: „Jetzt machen die echt Tegel zu. Man fasst et nich.“
Danach ging es darum, dass in den letzten Wochen so wenig Flugzeuge über Pankow flogen, dass mein Sohn erstaunt „Auto!“ rief, wenn doch mal eines vorbeikam. Ich wollte erzählen, dass meine Tante Erna angekündigt hatte, in einer Woche, am 15. 6., eine Engelbert-Lütke-Daldrup-Plakette in unserer Gartenlaube zu enthüllen. Als Dank an Sie, weil Sie uns den Fluglärm vom Hals geschafft haben. Hätten.
Wissen Sie, Herr Lütke Daldrup, ich hasse ja dieses Krise-als-Chance-Gelaber. Ich muss dann immer an Tucholsky denken: „Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch den Soldatentod Petroleumaktien in die Höhe zu treiben, durch den Bergmannstod den Profit der Grubenherren zu erhöhen, sowie auch Kultur, Kunst und Wissenschaft.“ Aber diesmal dachte ich echt, scheiß Corona, Rezession, Depression, aber hey: Die machen echt Tegel zu!
Dann schrieb die Ostsee-Zeitung am Donnerstag: „Das Flugwesen entwickelt sich wieder positiv in Berlin.“ Wir finden das nicht lustig, lieber Herr Lütke Daldrup, aber wir geben uns Mühe zu verstehen, dass Sie den Platz brauchen, um mit viel Abstand Fluggäste abzufertigen, die dann Pobacke an Pobacke in den Maschinen wie eh und je gesetzt werden. Die Plakette werden wir erst mal aufheben. Vielleicht hängen wir sie in den Kirschbaum. Um die Krähen zu vertreiben. Oder Tante Erna nutzt sie zum Umgraben. Das kommt ganz drauf an, wie sich das Flugwesen entwickelt.
Lea Streisand
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