: Der ehrgeizige Ökonom
Es war ein schneller Aufstieg: Marcel Fratzscher ist erst 41 Jahre alt – und wird künftig das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) leiten. Am Donnerstag wurde er einstimmig vom DIW-Kuratorium berufen.
Dieser jüngste Karriereschritt passt ins Bild: Der Lebenslauf von Fratzscher wirkt durchgeplant. Er hat in Kiel, Oxford und Harvard studiert und an der Europa-Universität in Florenz promoviert. Nach diversen Stationen auf allen Kontinenten (außer Australien) arbeitet Fratzscher seit 2001 bei der Europäischen Zentralbank. Seit 2008 leitet er dort die Abteilung für internationale wirtschaftspolitische Analysen.
Obwohl Fratzscher nicht an einer Universität lehrt, gehört er zu den forschungsstärksten deutschen Wirtschaftswissenschaftlern. Rund 50 Aufsätze hat er inzwischen in internationalen Fachzeitschriften publiziert, wie seiner persönlichen Homepage zu entnehmen ist. Dieser Internetauftritt ist so stringent wie der Lebenslauf – und vermittelt den Eindruck, dass Fratzscher lieber nichts dem Zufall überlässt.
Fratzscher wird am 1. Februar 2013 zum DIW wechseln. Beim größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut soll er vor allem die Konjunkturforschung und die Politikberatung neu aufbauen. Beides hatte unter Exchef Klaus Zimmermann gelitten. Dieser hatte dazu geneigt, Forschungsergebnisse vorzugeben, die durch die empirischen Erkenntnisse der DIW-Experten nicht immer gedeckt waren.
Diesen Führungsstil will Fratzscher korrigieren. In den Vorstellungsgesprächen betonte er so oft, dass er auf „Pluralität“ und „Transparenz“ setzt, dass sogar der Betriebsrat angetan ist.
Allerdings bleibt abzuwarten, wie frei die Wissenschaftler wirklich sind. Kürzlich sorgte DIW-Forscher Stefan Bach für Schlagzeilen, weil er vorschlug, eine 10-prozentige Vermögensabgabe einzuführen. Das Institut sei „deutlich nach links gerückt“, befand daraufhin die FAZ.
Konkret will Fratzscher dies nicht kommentieren. Zu seinem Kurs sagt er nur: „Das DIW muss politisch neutral sein.“ Aber Meinungsvielfalt sei völlig in Ordnung. „Es zählt die gründliche wissenschaftliche Analyse.“
ULRIKE HERRMANN