: Wie der Ochs vorm Berg
Pfingsten ist ein Wunder. Obwohl die meisten wie der Ochs vorm Berg stünden, wenn sie erklären sollten, was da eigentlich gefeiert wird, ist Montag bundesweiter Feiertag. Es ist aber auch wirklich nicht so ganz einfach, denn es ist magic. Es ist das Pfingstwunder. Es begab sich, dass die Jünger Jesu 50 Tage nach dessen Tod völlig durchknallten. Sie erzählten, der „Heilige Geist“ habe sich an einem schwülen Gewitterabend über sie „ausgegossen“, sie seien von Feuerzungen umtanzt und verzaubert worden und hätten den Auftrag erhalten, ein Haus für die ganze Welt zu bauen, damit sich der Heilige Geist dort über alle ausgießen kann.
Heute würde man sagen, die Jünger litten unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Schließlich hatten sie mit eigenen Augen gesehen, wie man ihren Anführer an ein Kreuz nagelte und brutal verrecken ließ. Doch PTBS war damals kein Begriff. Die Ungläubigen glaubten eher an einen Relotius ante portas oder Drogenkonsum und hielten die Visionen für arztpflichtig.
Aber die Apostel schrieben ihre Erfahrung auf: „In den letzten Tagen wird es geschehen […]. Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben“ (Apg 2, 14–18).
Die Jünger setzten ihre Vision durch. Weltweit werden seitdem Häuser Gottes gebaut, die Kirchen. Die Pfingstler wurden darüber hinaus zu einer Bewegung, wie sie noch heute bei den Covidioten oder auf Technoparaden in Erscheinung tritt: Man tanzt sich zu kosmischer Musik ins Delirium, singt in fremden Zungen, fühlt sich von irgendwas übergossen und wähnt sich am Ende aller Tage.
Auch für den Viehbauern ist Pfingsten beseelend. Dann nämlich werden seine Kühe hoch auf die Alm getrieben, wo sie übersommern. Zu diesem Zwecke erhalten die Kühe große Glocken um den Hals, und das prächtigste Exemplar, der Pfingstochse, wird prachtvoll geschmückt. So zieht das Vieh dann bimmelnd und bammelnd durch die Dörfer, und alle werden davon ganz bebimmelt und bebammelt und träumen von Sex auf der Alm. Einigen Ungläubigen aber ist dieses Gebimmelgebammel nichts. Seit Jahren klagen Anwohner im oberbayerischen Holzkirchen gegen das Gebimmel von Nachbars Kühen. Münchner Richter waren diese Woche zu einer Hörprobe ins Dorf gekommen. Sie hörten: nichts. Die Kühe hatten keinen Bock, sich zu bewegen. Die Richter waren ratlos. Und da geschah das Pfingstwunder: Man einigte sich auf Mindestabstandsregeln und ein Glockenkontingent.
Also frohe Pfingsten! Und lassen Sie sich am Wochenende nicht von einem Schwall Aerosole begießen. Denn nicht in jedem Aerosol steckt ein guter Geist. Und Sie möchten ja sicher auch nicht Ihr blaues Pfingstwunder erleben. Doris Akrap
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