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Glaspaläste zu Wohnraum

Von Büroflächen, Geldwäsche und geleakten Recherchen: Die Konferenz „Evicted by Greed“ verband die Menschenrechtsperspektive auf Wohnen mit dem Kampf gegen globale Immobilienspekulation

Von Tom Mustroph

Leilana Farha, bis April 2020 UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen, holte die Aktivist*innen des Häuserkampfes aus dem Covid-19-Dämmerzustand. Auf der Videokonferenz „Evicted by Greed“ des Berliner Disruption Network Lab betonte sie, dass jetzt der richtige Zeitraum sei, um Obdachlosigkeit weltweit als Problem zu beseitigen. „Die aktuelle Pandemie bewirkt, dass weltweit Büroflächen eingespart werden. Die Tech-Firmen im Silicon Valley haben schon angekündigt, dass sie permanent Homeoffice für ihre Angestellten einführen wollen. Viele Branchen werden nachziehen. Die frei werdenden Büroflächen sollten in Wohnraum umgewandelt werden“, sagte Farha von ihrem Homeoffice im kanadischen Ottawa aus.

Natürlich lebt nicht jede*r Obdachlose in der Nähe der Glaspaläste der Konzerne und des Co-Working-Archipels. Dennoch hat Farha recht, den wohl abnehmenden Bedarf an Büroflächen mit den aktuellen Wohnungsnöten zusammenzudenken. Sie brachte mit ihrem Statement auch die Kämpfe der Mieterinitiativen, die vor allem die Sorge ums zukünftige eigene Abgehängtsein antreibt, mit den Nöten der längst Abgehängten zusammen. Zugleich erinnerte sie an Wohnen als Menschenrecht – und wie toxisch es ist, mit einem Menschenrecht Profit zu machen.

Das war das überraschendste Statement auf dieser virtuellen Konferenz. Sie litt darunter, dass die Vorträge oft per Videokonserve erfolgten, die Diskussion vor allem eine Videokonferenz mit bestenfalls einer Handvoll zugeschalteter Teilnehmer*innen war und Zuhörer*innen sich lediglich über Chat-Fragen einbringen konnten.

All die Pausengespräche, die der weiteren Vernetzung helfen und spezielle Themen noch besonders vertiefen, fanden so nicht statt. „Ich hoffe, wir werden uns real wiedersehen, wenn dies möglich ist“, meinte Farha. Sie sagte auch, dass die schon für den März geplante, wegen Covid-19 aber zeitlich verschobene und ins Netz verlagerte Konferenz des Disruption Network Labs ihr „wichtigster Termin in diesem Jahr“ gewesen sei. Das ist Bestätigung für die Relevanz der Arbeit des Teams um die Informations- und Medienwissenschaftlerin Tatiana Bazzichelli.

Gewöhnlich versammelt das Disruption Network Lab Hacker und Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Ex-Geheimdienstler*innen zu einer Bandbreite von Themen, die von Propaganda über Krieg und Folter bis Überwachung gehen – und jetzt eben den globalen Finanz- und Immobiliensektor im Fokus hatten.

Bei einem Viertel aller Berliner Wohnungen lässt sich der Eigentümer nicht herausfinden: er bleibt versteckt

Geleakte Daten spielten erneut eine Rolle. Nur auf der Basis von geleakten Eigentümerdaten konnte das Recherchenetzwerk OCCRP offenlegen, wie stark international gesuchte Kokaindealer wie Othman El Bal­louti oder der international mit Sanktionen belegte Helfer von Syriens Herrscher Baschar al-Assad, Suleiman Marouf, an den in den Himmel schießenden Wüstenbauten in Dubai beteiligt sind. OCCRP-Mitarbeiterin Karina Shedrovsky sah als Ursache für solche Investments vor allem den leichten Zugang zu Dubais Goldmärkten an. Zweiter Faktor: Aufenthaltsgenehmigungen und Visa sind leicht über den Erwerb von Grundstücken und Immobilien erhältlich. In Beton zu investieren ist also sogar ein Anreiz für Geldwäsche. Und Auskünfte über Eigentümer gibt es in der Regel nicht. Außer sie werden geleakt.

Ein weltweites Transparenzregister ist daher auch das Anliegen vom Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Christoph Trautvetter. Er hat in der aktuellen Studie „Keine Transparenz trotz Transparenzregister“ die Eigentümerstruktur der Berliner Wohnimmobilien untersucht. Bei etwa einem Viertel aller Wohnungen lässt sich der Eigentümer nicht herausfinden, er versteckt sich hinter einem Geflecht aus Firmen in Luxemburg und Offshore-Steuerparadiesen wie den Cayman Islands. Transparenz über Eigentümerstrukturen stellt den ersten Schritt dar, um dem Kapital, das mit dem Menschenrecht auf Wohnen seine Geschäfte macht, Grenzen zu setzen. Die Eigentümerstrukturen selbst zu ändern, wäre der zweite Schritt. Perspektiven dazu erläuterte Volkan Sayman von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“.

Die Konferenz brachte lokal, national und international agierende Aktivist*innen zusammen. Genau das ist auch nötig, um dem international operierenden und lokal in die Lebenswelten eingreifenden Finanzkapital ein Gegengewicht zu bieten.

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