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Zu viel Zauderei?

Bei Borussia Dortmund drängen sich nach der Niederlage im Schlüsselspiel gegen den FC Bayern grundsätzliche Fragen um Trainer Lucien Favre auf. Der Schweizer macht eine seltsame Andeutung

Wunderbare Idee für den Titelgewinn: Den Lupfer von Joshua Kimmich kann Dortmunds Torhüter Roman Bürki nicht ab­wehren Foto: dpa

Von Daniel Theweleit

Der Schweiß der Spieler war noch nicht getrocknet, da wurde die erste Dortmunder Trauer bereits überlagert von einer sehr vertrauten Debatte. Die Kritiker vom Fernsehen stürzten sich nach dem 0:1 des BVB gegen Bayern München und dem Ende aller realistischen Titelhoffnungen auf Trainer Lucien Favre. Auf reichweitenstarken Onlineplattformen tauchten Schlagzeilen voller Andeutungen zu einem baldigen Ende des Schweizers beim BVB auf, und der Fußballlehrer selbst befeuerte mit einer seltsamen Aussage solche Spekulationen: „Ich lese nicht die Zeitungen, aber ich weiß, wie es geht. Ich werde darüber in ein paar Wochen sprechen.“

Irgendwie klang das tatsächlich nach Abschied. Dem Fachmann aus den Alpen gelingt es einfach nicht, seine Mannschaft in den großen Spielen zu außergewöhnlichen Leistungen zu bewegen. „Sehr gut“ fand Favre indes die Leistung seines Teams, „insgesamt haben wir alles probiert und es richtig gut gemacht 90 Minuten“, sagte er. Nur Winzigkeiten hätten gefehlt: „Die letzte Beschleunigung, ein paar letzte Pässe und vorletzte Pässe, Schüsse aufs Tor.“ Der Fußballtüftler verstand nicht, dass es in diesem Moment um etwas anderes ging. Um den größeren Blick auf sein Dortmunder Gesamtwerk. Emre Can sagte später, er habe ein „sehr, sehr offenes Spiel“ erlebt, „an einem besseren Tag hätten wir vielleicht ein, zwei Tore geschossen.“ Aber eine Mannschaft, die Meister werden will, sollte eben in der Lage sein, so einen „besseren Tag“ zu haben, wenn der große Angriff auf die Bayern ansteht.

Die Klubführung um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc hat alles getan, um diesen Dortmunder Kader titelfähig zu machen. Die Verantwortlichen haben mit der Verpflichtung von Mats Hummels die Kopfballschwäche in der Abwehr bekämpft, sie haben Erfahrung hinzugeholt, Emre Can und Erling Haaland haben gezeigt, dass sie dem Team einen zuvor unterentwickelten Siegeswillen geben können. Und doch waren die Bayern am Dienstagabend in all diesen Kategorien besser. „Mindestens hätten wir ein Unentschieden verdient“, sagte Favre unter Verkennung einer zentralen Eigenheit des Fußballsports: Jenseits aller strategischen Überlegungen, unabhängig von System und mannschafts­taktischen Leistungen werden Fußballspiele auf dem höchsten Niveau durch die Fertigkeiten ganz beson­derer Einzelkönner entschieden. Und die blieben beim BVB blass oder saßen nur auf der Bank.

Einzelkönner entscheiden. Und die blieben beim BVB blass oder saßen nur auf der Ersatzbank

Emre Can und Jadon Sancho dürften innerlich auf ihren Trainer geschimpft haben, weil sie erst zur Halbzeit eingewechselt wurden. Und womöglich hat Watzke oben auf der Tribüne mitgeflucht. Thorgan Hazard, Mahmoud Dahoud und Thomas Delaney waren zwar fitter, sie arbeiteten ordentlich fürs Kollektiv, als Schöpfer besonderer Momente in besonderen Spielen sind diese Fußballer aber noch nie in Erscheinung getreten. Man müsse „aufpassen, dass Jadon sich nicht wieder verletzt“, trug Favre zu seiner Rechtfertigung vor. Can habe nach einer Muskelblessur „nur einmal trainiert“, genau diese Art der Zauderei mögen Kritiker nicht an diesem Trainer.

Wobei es unfair wäre, die Ursachen allein an dieser Stelle zu suchen. Es ist offensichtlich so, dass Haa­land und Sancho, die Unterschiedsspieler aus der Offensive ihre gute Form nicht über die Saisonunterbrechung retten konnten. An diesem Abend entschied eine wunderbare Idee von Joshua Kimmich das Spiel, und vielleicht hätte Roman Bürki den Lupfer des Mittelfeldspielers an einem wirklich guten Tag halten können. Es sind Situa­tio­nen wie diese, die die Bayern einfach besser kontrollieren können. Seit vielen Jahren.

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