Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Purple Raindrops are falling on my head

Foto: Roberta Sant'anna

Es ist so schön, euch zu sehen!“, ruft eine Familie der anderen im Park entgegen. Mit schnellen Schritten gehen sie aufeinander zu, bleiben im richtigen Abstand stehen, legen die Hände aufeinander, senken die Köpfe, sagen: „Namaste“ und lachen laut auf.

Sie lassen sich auf den Rasen fallen, essen Würste aus Gläsern, Tofu aus dem Plastik, kippen sich Dosenmais hinter die Binde, beißen in ganze Gurken und Fleischtomaten und wischen sich mit den Händen über die Gesichter.

„Das ist eindeutig nicht Grillen!“

„Und ein Picknick ist es auch nicht!“

„Dafür bräuchte man ja Decken!“

„Besteck!“

„Servietten!“

„Essen muss man sowieso!“

„Das kann uns keiner verbieten.“

„Ich denke nicht, dass hier heute jemand kontrolliert. Bei dem Wetter würde ja niemand ein Picknick machen.“

„Heut früh stand eine Nebelschwade vor dem Fenster.“

„Es ist kalt.“

„Nasskalt und diesig.“

„Es fängt an zu nieseln.“

„Hat jemand einen Schirm?“

„Wir sind doch nicht aus Zucker.“

„Wir sind aus Hamburg!“

„Ich mag dieses Wechselwetter, da denkt man, ach, doch noch alles wie in der Kindheit.“

„Da gab es aber jeden Winter Schnee, viel Schnee, Schneetreiben, Schneemassen, Menschen sind deswegen gestorben.“

„Wo haben sie nochmal über 100 verschiedene Wörter für Schnee?“

„Dort, wo sie es brauchen.“

„Alaska, Sibirien.“

„Mir fällt keine Schneevariation ein.“

„Pulverschnee.“

„Starkschnee.“

„Nee, das war Regen, Starkregen.“

„Platzregen.“

„Schauer.“

„Wie lang dauert ein Schauer?“

„Während du den Schirm aufspannst, endet er.“

„Das hier ist kein Schauer.“

„Nein, es regnet immer doller.“

„Hört ihr das Grollen in der Ferne?“

„Vielleicht nähert sich eine Gewitterfront!“

„Ich habe Angst vor Gewitter, ich bin da archaisch.“

„Ist es nicht zu kalt für ein Gewitter?“

„Nein, es ist genau richtig und seht mal am Himmel, diese faszinierend lückenlose Wolkendecke.“

„Mich faszinieren nur Schleierwolken.“

„Ja, das sind die schönsten, sie wirken so elegant ungezwungen.“

„Am Himmel ist echt kein einziger Fetzen Blau.“

„Und plötzlich ist es so dunstig, feuchtwarm, als wäre die Temperatur spontan um ein paar Grad gestiegen.“

„Da, es grollt schon wieder.“

„Aber in weiter Ferne.“

„Vielleicht sollten wir den Park jetzt sofort in aller Ruhe verlassen.“

„Nein! Es tut so gut, draußen zu sein.“

„Aber die Kinder sollten nicht weiter unter den Bäumen spielen.“

„Lasst sie, die haben sich so lange nicht gesehen.“

„Ja, keine Panik. Seht doch, dort bricht die Sonne durch die Wolken!“

„Trotzdem prasselt der Regen weiter.“

„Seltsam pink, das Licht.“

„Wunderschön.“

„Aber eben hat es wieder gedonnert.“

„Nicht hier bei uns.“

„Die Tropfen werden immer dicker, so große Tropfen hab ich noch nie gesehen!“

„Echt surreal.“

„Fast wie Seifenblasen„

„Und es riecht nach rosa Zuckerwatte.“

„Hast du gekifft?“

„Leider nicht!“

„Ich würd‘lieber los, so ein Fernblitz geht auch mal da runter, wo das Gewitter noch gar nicht ist, wie so eine Antizipation.“

„Angst ist der Auftragsmörder der Lebensfreude.“

„Berühmte letzte Worte.“

„Ich weiß die besten letzten Worte der Welt.“

„Na?“

„Es ist so schön mit euch.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.