piwik no script img

berliner szenenHöflichkeit wollte nachgeben

Das neue gebrauchte Smartphone klingelte, man sprang aus dem Bett, rannte zum Schreibtisch und drückte auf den Knopf. Aber das Telefon nahm nicht ab, es klingelte weiter. Es war sicher wichtig, vielleicht der Vermieter, der die Wohnung jetzt doch verkaufen will, oder jemand war gestorben. Doch der grüne Hörer ließ sich nicht abnehmen. Man kam sich hilflos vor, und es war auch unhöflich.

Als das Klingeln alle war, rief ich zurück. Auf der anderen Seite war wieder eine Organisation, die mir billigeren Strom verkaufen wollte und sich nach meinem Verbrauch erkundigte, der mich grad nicht so interessiert. Die Höflichkeit wollte nachgeben, die Erfahrung jedoch erinnerte an all die Zeitungs-, Zeitschriften- und Glücksspielabos, die ich abgeschlossen hatte, weil ich es nie geschafft hatte, rechtzeitig zu kündigen.

B., der meinen Laptop zu Anfang der Coronakrise rettete, als der sich beim Laden eines neuen Updates aufgehängt hatte, erklärte mir später, es habe wohl am Blue­tooth gelegen. Das habe den Anruf an meinen Laptop weitergeleitet, weil dessen Bluetooth an gewesen war, obgleich ich den Laptop noch gar nicht angemacht hatte.

Ich machte den Bluetooth aus und am nächsten Tag wieder an, um ein schönes Schneeflockenbild zu posten. Am Abend rief M. an, um über Fußball zu reden, ich konnte den Anruf wieder nicht annehmen, und als ich ihn dann zurückrief, beschimpfte er mein Smartphone. Er könnte mich auch nicht richtig verstehen. Leicht verärgert endeten wir. Ich guckte im Manual, wo das Mikrofon angebracht ist, und danach den WestBam-Geisterauftritt im Metropol. Der Einstieg ist super: „I’m a hand-hand-washer and I’m washing my hands.“

Wie still es doch in der Nacht war. Nun hatten sie auch das Licht leiser gestellt.

Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen