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Eine Klasse für Timm Ulrichs

Künstler und Künstlerinnen seiner einstigen Akademieklasse in Münster schenken ihrem Professor Timm Ulrichs zu seinem 80. Geburtstag eine neue Klasse in Benin

Timm Ulrichs, Wurzel-Werk I, II, III 1980/89/2010 Foto: Siegfried Renvert/Gisela Schäper/HaL

„Ich will nichts! Und ich brauche nichts!“ Was der Künstler und emeritierte Hochschullehrer Timm Ulrichs von Geschenken hält, hat er immer wieder deutliche gemacht. Er ist sich halt selbst genug. Und teilt lieber aus: mit Werken und Worten und sonstigen Gaben.

Das Epitaph seines seit 1969 bereitstehenden Grabsteins hat sich vielen ins Gedächtnis eingemeißelt: „Denken Sie immer daran, mich zu vergessen!“ Nun, zu seinem 80. Geburtstag, bringen fünfzig frühere Studierende seiner Münsteraner Akademieklasse sich und ihn in Erinnerung. Zur Überraschung des alten Meisters haben die selbst in die Jahre Gekommenen ein für ihn gänzlich immaterielles Präsent auf den Weg gebracht.

Symbolisch erhält Timm Ulrichs eine junge, mobile Klasse. Real befindet sich deren Klassenzimmer auf einem Marktplatz in Benin, wo mit finanzieller Unterstützung der Münsteraner Klasse Mädchen die Chance geboten wird, parallel zu ihrer Arbeit Bildung zu erfahren und sich ihnen damit neue Perspektiven eröffnen.

Timm Ulrichs Arbeit „Wurzel-Werk“, Teil der (zurzeit geschlossenen, aber nach Wiedereröffnung fortgesetzten) Ausstellung „Ich, Gott & die Welt. 100 Tage – 100 Werke – 100 Autoren“ im Berliner Haus am Lützow Platz, zeigt seine Kopfform, bestehend aus Humus und durchsetzt von den feinen Wurzeln eines Buchsbaums. Es ist das Bild des Künstlers als Schöpfer und Substrat und damit auch das des Nährbodens für den Nachwuchs.

Für das zuteil gewordene Geschenk fruchtbarer Lehre möchten sich die ehemaligen Schüler und Schülerinnen jetzt bedanken und es ihrerseits nachhaltig weitergeben. Neben dem Klassenzimmer in Benin spenden sie daher zusätzlich für diverse Bildungsmaterialien und Schulgebühren sowie Alphabetisierungsmaßnahmen für Frauen in Pakistan. Wenn er selbst auch nichts geschenkt haben will, so dürfte der universalgelehrte Totalkünstler Timm Ulrichs diese Aktion begrüßen, denn wachsende Bildung wird fortwährend gebraucht. Franjo Tholen & Ute Sroka

Franjo Tholen und Ute Sroka ­überreichen diesen Geburtstagsgruß stellvertretend für die Münsteraner Akademieklasse an Timm Ulrichs. Der „Totalkünstler“, der sich schon 1961 zum ersten lebenden Kunstwerk erklärt hat, wurde dieses Jahr mit dem Käthe-Kollwitz-Preis der ­Akademie der Künste in Berlin ausgezeichnet.

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