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Kunst und Rebellion

Die georgische Künstlerin Lia Ukleba will mit ihrer Kunst die patriarchalische Gesellschaft in der südkaukasischen Republik provozieren

Von Tigran Petrosyan

Die Jungfrau Maria mit einer Spielzeugpistole am eigenen Kopf: So eine Mariendarstellung ist nicht gerade Allgemeingut. Und auch historisch bislang wohl noch nicht vorgekommen. Kein Wunder, dass diese Abbildung der Gottesmutter in der gesamten georgischen orthodoxen Kirche für sehr viel Wirbel und Empörung sorgte.

Die georgische Künstlerin Lia Ukleba hat dieses Bild gemalt. Damit wollte sie die patriarchalen Strukturen kritisieren und zugleich die Homophobie in ihrer Heimat bekämpfen. Uklebas Jungfrau Maria mit einer Pistole am Kopf ist überdies auch noch schwanger. Ukleba will so ein starkes feministisches Zeichen setzen. „Die Frau allein entscheidet, ob sie das Gotteskind auf die Welt bringt oder nicht“, erläutert sie das Bild. Patriarch Ilia II., das Oberhaupt der georgischen orthodoxen Kirche, bezeichnet das Bild als schwere Beleidigung für die Kirche und für das Vaterland. Ukleba erhält viele Drohungen, doch sie hört nicht auf und malt weiter. Die 46-jährige autodidaktische Künstlerin lebt und arbeitet in Kutaissi, der drittgrößten Stadt Georgiens. Mit ihrer Malerei thematisiert sie sozialpolitische und reli­giö­se Probleme in der südkaukasischen Republik.

„Auch wenn die Gesellschaft sich im letzten Jahrzehnt stetig gewandelt hat, werden Menschenrechte in Georgien weiterhin verletzt“, sagt sie. Dies geschehe insbesondere deshalb, weil Staat und Kirche nicht voneinander getrennt seien.

Die georgisch-orthodoxe Kirche gehört zu einer der ältesten Kirchen weltweit und spielt als Staatskirche eine große Rolle in der georgischen Gesellschaft. „Die Kirche hat eine Machtstellung, vor allem wenn es um Frauenrechte oder die LGBTI- Community geht. Es ist die Kirche, welche die Stimmung in der Gesellschaft aufheizt“, sagt Ukleba.

Provokative Kunst

Immer wieder kommt es in der georgischen Hauptstadt Tiflis zu Zusammenstößen bei der jährlichen Kundgebung zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie, wobei es die Kirche ist, die LGBTI-feindliche Stimmungen schürt, und Priester tausende Gegendemonstranten anführen und Steine auf die LGBTI-Aktivisten werfen. Das Thema stellt Ukleba in einem anderen Bild vor: „Tango“ heißt die Malerei, die einen Polizisten und einen Priester eng umschlungen beim Tanz zeigt.

Mit ihrem Bild „Transgender mit Baby“ fordert Ukleba die Gleichberechtigung aller Geschlechter: Die Darstellung zeigt ein typisches Bild von Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoss. Doch anstelle von Maria malt sie einen Mann mit Bart, der den erwachsenen Jesus Christus darstellen könnte: „In einem Radiobeitrag habe ich eine traurige Geschichte gehört. Eine Trans*Person erzählte, dass die Person gerne Kinder haben wollte, aber sich nicht traute, aus Angst vor den eigenen Landsleuten“, sagt Ukleba, die selbst Mutter von zwei Kindern ist.

Ihre provokative Kunst wird aber nicht nur beschimpft und boykottiert. Im Gegenteil. 2015 erhielt sie den georgischen Menschenrechtspreis von Kato Mikeladze. Kato Mikeladze war eine Feministin, Frauenrechtlerin und Publizistin im Georgien des 20. Jahrhunderts. Mit diesem Preis will die Frauenrechtsorganisation „Women’s Fund in Georgia“ vor allem Uklebas Kunst anerkennen und sie in ihrem Kampf für Gerechtigkeit ermutigen.

Für die Künstlerin allerdings ist das größte gesellschaftliche Problem der Femizid. In den vergangenen sechs Jahren sind in Georgien 151 Frauen von ihren (Ex-)Partnern getötet worden. Ukleba widmet eine ganze Serie ihrer Bilder genau dieser Problematik. „Femizid ist ein sexuelles Hassverbrechen; Frauen sollen endlich nicht mehr wegen ihres Geschlechts ermordet werden“, sagt sie. „Ich kämpfe dafür und glaube, dass der Wandel unaufhaltsam ist, weil ich mein Bestes dafür gebe.“

Die Künstlerin Lia Ukleba berichtet über die Situation in Georgien und präsentiert ihre Malerei nächstes Jahr auf dem taz lab am 24. April 2021.

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