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corona in bremen„Ein bisschen Galgenhumor ist dabei“

Foto: privat

Ilka Brunsing, 57, ist Inhaberin des Friseursalons „Brunsing & Brunsing“ in der Bürgermeister-Spitta-Allee.

Interview Dominika Vetter

taz: Frau Brunsing, wie erklären Sie sich, dass Friseursalons geöffnet bleiben dürfen, während Klamottenläden schließen mussten, um die Infektionesgefahr zu reduzieren?

Ilka Brunsing: Das ist für uns unverständlich. Selbst unter dem Aspekt, dass wir zur Zeit noch Geld verdienen und unsere treuen Kunden weiterhin verschönern dürfen, verstehen wir diese Maßnahme nicht! Wir sind so nah am Kunden. Trotz unserer vielfältigen Hygiene­maßnahmen haben wir Bedenken, dass auch wir für unsere Kunden ein gesundheitliches Risiko darstellen könnten. Das macht mir und meinen Mitarbeitern wirklich Sorgen.

Wie ist denn das Kundenaufkommen – gehen­ die Menschen überhaupt zum Friseur?

Gestern hatten wir elf Absagen. Im Laufe des Tages kamen aber noch neue Termine von Leuten,­ die gesagt haben, wir kommen nochmal schnell zum Haareschneiden, so lange es noch geht. Deswegen sind wir heute ausgebucht. Insgesamt haben wir aber schon einen Einbruch von 20 bis 30 Prozent. Einige Kunden haben Angst, sich zu infizieren. Das sind vornehmlich ältere Kunden, die lieber zu Hause bleiben, aus Vorsicht. Sie entschuldigen sich dann am Telefon bei uns. Wir sind natürlich niemandem böse, der nicht kommt.

Was würde eine Schließung für Sie bedeuten?­

Einen starken finanziellen Einschnitt. Wir sind ein kleiner Betrieb mit elf Mitarbeitern, für die wir uns verantwortlich fühlen. Wir haben ein paar Rücklagen, aber wenn länger geschlossen wäre als zwei Monate – da mag ich gar nicht drüber nachdenken. Man wird nicht allein gelassen vom Berufsverbund, das ist bei uns die Handwerkskammer. Morgen haben wir einen Telefontermin, da werden sie uns Auskunft geben, was für Hilfe es für uns gibt.

Und wie ist die Stimmung bei Ihnen und den KollegInnen im Salon?

Wir machen uns zunehmend Sorgen, es kommen dauernd von allen Seiten neue Informationen. Es ist eine Verunsicherung da. Wir haben viele junge Mitarbeiterinnen, die weniger Angst haben sich anzustecken, sondern eher befürchten, finanzielle Einbrüche zu haben, wenn sie nicht arbeiten können. Die Stimmung bei den Kunden ist gut, wir reden viel mit ihnen, auch über Corona. Ich finde, hier in Bremen haben wir echt noch eine ruhige Situation. Bei Kollegen in anderen Städten ist das schon ernster, da gibt es teilweise Panik.

Beim Haarescheiden kann man nicht so gut Abstand halten. Wie schützen Sie und Ihre KollegInnen sich und ihre KundInnen?

Wir arbeiten immer mit desinfiziertem Werkzeug, das gibt den Kunden ein gutes Gefühl −das machen wir sonst auch. Direkten Kontakt können wir natürlich nicht vermeiden. Ponyschneiden ist das dichteste, das ist unser eigenes Risiko. Wir haben 13 Plätze, die wir so besetzen können, dass genug Abstand zwischen den Kunden ist. Wir verzichten darauf,­ Zeitschriften und Getränke an die Kunden zu geben, und die finden das okay. Sie freuen sich vor allem, dass wir noch da sind.

Gibt es irgendwelche Sonderwünsche – lassen­ sich die Leute die Haare zum Beispiel besonders kurz schneiden?

Tatsächlich sagen viele: Machen sie ruhig einen Zentimeter kürzer! Nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Es ist ein bisschen Galgen­humor dabei.

Gibt es Dienstleistungen, die Sie aufgrund der Gefahr einer Corona-Infektion zur Zeit nicht mehr anbieten?

Ja, wir wollen Kontakt mit Schleimhäuten vermeiden, also alles, was zu nah am Gesicht ist: Bärte schneiden, Make-ups, Augen- und Wimpernpflege, aber auch Maniküre.

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