die dritte meinung
: Das Jahr 2015 sollte sich wiederholen, findet Aziz
Bozkurt

Aziz Bizkurt

ist Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD.

Das Jahr 2015 muss sich wiederholen. Es war das Jahr, in dem sich 400.115 Paare das Ja-Wort gaben und 737.575 Kinder geboren wurden. Und Deutschland zeigte ein wunderschönes Gesicht, das in der ganzen Welt für Bewunderung sorgte. Menschlichkeit und Willkommens­kultur wurden plötzlich so groß geschrieben, dass sich sogar die Zeitung, bei der sonst nur Themenüberschneidungen mit rechten Hetzern auffallen, mit #refugeeswelcome Bannern schmückte. Ansteckend freundlich war das Land.

Das Jahr 2015 hatte jedoch auch seine dunklen Seiten. So versäumte es die ­Politik, sich frühzeitig auf die ­Konflikte dieser Welt mit all ihren Folgen einzustellen. Es wurde verpasst, mit den Menschen, die Orientierung und eine offene Kommunikation erwarten, ­einen Dialog aufzunehmen. Gleichzeitig setze ein hektischer Aktionismus ein, der mit seinen Widersprüchlichkeiten den Grundstein für einen offenen Rassismus legte. Das darf sich nicht wiederholen.

Wenig verwunderlich, dass 68 Prozent der Deutschen der Aussage: „Die Bundesregierung hat keinen Plan, wie es mit den Flüchtlingen, die in Deutschland sind, weitergehen soll“, zustimmen. Spätestens nach einem solchen Ergebnis, wäre es an der Zeit, einmal innezuhalten und die eigenen Fehler zu rekapitulieren. Mangelnde Selbstreflexion und Selbstkritik führten dazu, dass sich die Erzählung einer rechten Minderheit auf fatale Weise verbreitete: 2015 dürfe sich nicht wiederholen.

Getrieben von dieser falschen Erzählung verschließen die EU und Deutschland die Augen vor einem Mitgliedsland, das sich nicht an internationales Recht hält noch Menschenrechte wahrt, sondern Helfer, Geflüchtete und Pressevertreter rechten Schlägern überlässt. Man agiert zaghaft gegenüber einem Despoten, der die Lage der Menschen in Not für seine politischen Zwecke missbraucht, und klammert sich an ein totes Abkommen. Was sich keinesfalls wiederholten darf, ist: dass die demokratischen Kräfte in Deutschland Rassisten und Rechtsextreme stärken.