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Entsetzen nach dem Terroranschlag in Hanau

Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier drücken ihre Solidarität mit den Angehörigen der Opfer aus. Muslimische Verbände fordern mehr Schutz von Minderheiten in Deutschland

„Nach dem NSU zieht sich wieder eine rechtsextreme Blutspur durchs Land“

Josef Schuster, Zentralrat der Juden

Aus offenbar rassistischen Motiven hat ein 43-jähriger Deutscher in Hanau mutmaßlich neun Menschen erschossen. Er wurde zusammen mit seiner Mutter nach dem Anschlag am Mittwochabend tot in seiner Wohnung aufgefunden. Die Bundesanwaltschaft zog die Ermittlungen an sich, Generalbundesanwalt Peter Frank sprach von einer „zutiefst rassistischen Gesinnung“ des Mannes. Der Anschlag löste in Deutschland und auch international Entsetzen aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert. Derzeit deute „vieles darauf hin, dass der Täter aus rechtsextremistischen, rassistischen Motiven gehandelt hat“, sagte sie. „Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft, und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen“, mahnte Merkel. Sie nannte dabei die „Untaten des NSU“, den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Morde von Halle als Beispiele.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte sich solidarisch mit den Opfern rassistischer Gewalt. „Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein“, erklärte Steinmeier. Er kündigte an, an einer Mahnwache der Stadt am Abend auf dem Marktplatz teilnehmen zu wollen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will als Reaktion auf den Anschlag die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland verstärken. Er werde mit den Innenministern der Länder darüber beraten, „wie wir in den nächsten Tagen die Sicherheitslage noch besser gewährleisten können“, sagte er in Hanau. Dies sei auch „vor dem Hintergrund vieler öffentlicher Veranstaltungen in den nächsten Tagen“ erforderlich.

Muslimische Verbände haben Politik und Gesellschaft nach der Gewalttat von Hanau aufgerufen, sich klar an die Seite der Muslime zu stellen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte, wer antimuslimischen Rassismus nicht klar benenne, mache sich mitschuldig an der blutigen Gewalt gegen Minderheiten.

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hat ein entschiedeneres Vorgehen gegen Rechtsextremismus in Deutschland gefordert. „Zu lange ist die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus verharmlost und vernachlässigt worden“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. Es sei davon auszugehen, „dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte“. Nach der Mordserie des NSU ziehe sich wieder „eine rechtsextreme Blutspur durch Deutschland: die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni vergangenen Jahres, der Anschlag in Halle an Jom Kippur und jetzt die Morde in Hanau“. Es stelle sich die „besorgniserregende Frage, wie sicher Minderheiten und Menschen, die sich für sie engagieren, noch in Deutschland leben können“.

Aussagen des AfD-Chefs Jörg Meuthen auf Twitter sorgten für scharfe Kritik. In einem Tweet schrieb er: „Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren. Jede Form politischer Instrumentalisierung dieser schrecklichen Tat ist ein zynischer Fehlgriff.“

Politiker unterschiedlicher Parteien machten die Polemik der AfD gegen Zuwanderer und gegen Muslime für rechtsextreme Gewalt mitverantwortlich. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli forderte die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstrich die Notwendigkeit zur Abgrenzung ihrer Partei von der AfD. Die AfD dulde „Rechtsextreme“ und „Nazis in ihren eigenen Reihen“, kritisierte sie. (dpa, afp, epd)

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