Edgar Lax sprach nie darüber

Der Axel Springer Verlag lässt 87 Stolper­steine vor seinem neuen Haus in Kreuzberg verlegen

In der Zimmerstraße 48b im Berliner Zeitungsviertel lebte die Familie Lax. Nur ihr Sohn Edgar überlebte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Er verließ Berlin in einem Zug Richtung Holland, wenig später wurde der Fünfzehnjährige mit einem Kindertransport nach England gebracht, wo er in einer Adoptivfamilie ein neues Zuhause fand.

Am Mittwochmorgen wurden in der Zimmerstraße an der Stelle, an der früher das Haus Nummer 48 stand, von Gunter Demnig drei Stolpersteine für Edgar und seine Eltern verlegt. Gleich daneben zwei Steine für das christlich-jüdische Ehepaar Zickel. Max Zickel wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, weil er, Sohn jüdischer Eltern, den gelben Stern nicht trug, was einem Polizisten auffiel.

Das Haus, in dem die Familie Lax und das Ehepaar Zickel wohnten, gibt es nicht mehr. Inzwischen ist dort ein Neubau entstanden, den der Axel Springer Verlag von dem niederländischen Architekten Rem Kohlhaas bauen ließ. Im Karree zwischen Schützen- und Zimmer-, Jerusalemer und Lindenstraße lebten viele Juden. Der Verlag hat sich entschlossen, dort 87 Stolpersteine für die von den Nazis Verfolgten verlegen zu lassen. Nach aufwendigen Recherchen der Journalisten Sven Felix Kellerhoff und Hans-Wilhelm Saure ist sicher, dass mindestens 24 Mieter, 7 Gewerbe­treibende und eine Hausbesitzerin deportiert und ermordet worden sind.

Bobby, Sohn von Edgar und Enkel von Amalie und Jacob Lax, die er nie kennenlernen konnte, hatte den Koffer seines Vaters mitgebracht, in dem er nach dessen Tod eine Fülle von Briefen und Fotos fand. Vater Edgar, der nach dem Tod seiner Familie vollkommen allein auf der Welt gewesen sei, „never mentioned the past and never spoke German“, erzählte Bobby Lax. Sein Vater habe sich darauf konzentriert, in einem ihm fremden Land für seine Familie ein neues Leben aufzubauen.

In seinem Koffer, den er auf dem Dachboden lagerte, fand Bobby einen der Briefe von Edgars Mutter an ihren Sohn, die ihn darin ermahnte, sich im Winter warm anzuziehen. Das Entscheidende seien warme Füße, meinte Amalie und fügte in deutscher Tradition an: Die Füße müssten warm, der Kopf aber kalt sein.

Als er sich auf die Suche nach Spuren des Lebens seines Vaters in Berlin gemacht hatte, habe er Angst gehabt, sagte Bobby Lax. Aber während seiner Berliner Woche habe er eine Metamorphose durchlebt. Nun fühle er sich der Stadt beinahe zugehörig. Die Stolpersteine, meint Lax, mögen ein Segen sein für die Journalisten, die dort täglich auf dem Weg zur Arbeit vorbeigehen. Ulrich Gutmair