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Re-Constructing Memory

Chao Tayiana will mit ihrem Projekt „Rettet die Eisenbahn“ Bewusstsein für die unerzählten Geschichten der Kenia–Uganda-Eisenbahn schaffen. Sie kommt zum taz lab

Von Chao Tayiana

Das „Rettet die Eisenbahn“-Projekt wurde 2012 gegründet, um die Erinnerung an Kenias alte Bahnstationen zu bewahren. Erbaut von den Briten 1898, war die 350 Meilen lange Eisenbahnstrecke, die das Schicksal der Region für immer verändern und die vielen urbanen Zentren – wie wir sie heute kennen – erst erschaffen würde, ein Fluch und ein Segen für Kenia.

Die Geschichte der Kenia–Uganda-Eisenbahn wurde und wird immer noch seit ihrer Planung bis heute aus einer romantisierenden kolonialen Perspektive dargestellt: als ein Triumph europäischer Eroberung und Findigkeit. Ein aufregendes Unterfangen in die afrikanische Wildnis, bestenfalls eine Safari und schlimmstenfalls eine langsame, beschwerliche Reise durch „unbewohntes“ Land. Eine Geschichte und eine Perspektive, die ich zu verinnerlichen und nicht zu hinterfragen gelernt hatte. Meine Leidenschaft, Kenias Eisenbahnstationen zu dokumentieren wurde nicht von dem angetrieben, für was sie standen sondern von dem, was sie eben nicht repräsentierten. Obwohl sie über Jahrzehnte Millionen von Ke­nia­ner:innen gedient hatte, veränderte sich das Narrativ dieser Eisenbahn nie. Es gehörte immer ins Jahr 1898, mit den Siedlern und Löwen. Nie hat es sich gewandelt und über die afrikanischen Kinder berichtet, die sie benutzten, um zur Schule zu gehen, über die Bauern, die mit der Bahn ihre Produkte aus den ländlichen Gegenden in die Stadt brachten, über die Lehrer, über die Stadtbewohner oder die frisch Verheirateten auf ihren Flitterwochen.

Mit Erinnerungen arbeiten

Auf dem taz lab führen Chao Tayiana, der Künstler Miro Kaygalak und taz-Redakteurin Nina Apin ein digital gestütztes Gespräch über Erinnerung, Dominanz und die Macht der Kunst. Die Kenianerin Taiyana versteht sich als „African digital heritage warrior“ – mittels digitaler Überblendungen und Multimediastorys legt sie verdrängte koloniale Spuren in ihrer Heimat offen. Durch Taiyanas Werke und die von ihr gegründete Plattform „African Digital Heritage“ wird wieder präsent, was langsam in Vergessenheit zu geraten drohte. Auch Kaygalak bringt mit seinen Arbeiten Verdrängtes zurück auf die Tagesordnung: Sein Projekt 1915-20:15 zum Beispiel kreist um den Völkermord an den osmanischen Christen von 1915. In Form einer digitalen Uhr im Stadtraum, die jeden Tag um 19.15 Uhr eine Stunde lang stehen bleibt, soll die Öffentlichkeit in der Türkei an das tabuisierte Ereignis erinnert werden.

In den frühen 1990er-Jahren begann die Eisenbahnstrecke ernsthaft zu verfallen, Tausende verloren ihre Arbeitsplätze, Industrien schlossen und Lebensgrundlagen wurden für immer zerstört. Als ich mich 2012 vor diesen Bahnstationen wiederfand, standen sie für Schmerz, für Vernichtung, Veränderung und Evolution. Die neue von den Chinesen geförderte Eisenbahn bedeutete auch, dass die alten Stationen sowohl aus der Landschaft als auch aus der Erinnerung verschwinden würden.

Ich sehe Erinnerung als etwas, das wir erben, und als etwas, das wir selber erschaffen. Die Entscheidung, an was wir uns erinnern, ist genauso wichtig, wie die Entscheidung, was wir vergessen, gerade im Hinblick auf die Risse und versteckten Winkeln der Geschichte und ihrer Repräsentation. Technologie lieferte im Fall des Projekts „Rettet die Eisenbahn“ einen entscheidenden Weg, diese Geschichte zu dokumentieren, aufzunehmen und zu verbreiten und mehr Bewusstsein für die unerzählten Geschichten, die hinter ihr stecken, zu schaffen. Als Studentin mit nichts als einer Kamera, einer Webseite und einer Plattform, hatte ich auf einmal eine Stimme.

Chao Tayiana, ist Künstlerin, „Digital Warrior“ und Wissenschaftlerin im Bereich der Digital Humanities mit speziellem Fokus auf digitale Über­lieferung.

Technologie erlaubt es heute jedem, Geschichte zu dokumentieren, wichtiger noch, jedem, seine Geschichte zu teilen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für afrikanische Geschichte und ihre Darstellung und zeigt, dass die Zukunft nicht nur daraus besteht, Museen und Organisationen zu empowern, sondern eben auch die Bürger:innen selbst.

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